Wenn Programme Maschinenräume wären

Wenn das Irrenhaus überfordert ist

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berferd
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Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von berferd »

C
Elektroingenieurskunst im viktorianischen Stil: ein sorgfältig geplanter und durchdachter Maschinenraum, dicke Kupferleitungen in offener Verlegeweise auf Marmorplatten, Messerkontaktschalter, dazwischen Umrichter in rotierender Bauform und gelegentliche Quecksilberdampf-Gleichrichter. Ein falscher Handgriff, und man verpufft in einer Lichtbogenentladung, oder wird in die tonnenschwere, offen rotierende Masse des Umrichters gezogen. Das Mythische hier ist noch greifbar, gerüchtehalber leben hinter den Marmorpanelen der Elektrik Dämonen, oder zumindest Kobolde. In der Hand eines ordnungsliebenden, fähigen Maschinisten läuft die Installation mehrere Jahrhunderte störungsfrei und kann enorme Leistungsdichten erreichen. Es ist allerdings zunehmend schwieriger, gutes Personal zu finden, und so hört man gelegentlich von (durch grobe Fehlbedienung ausgelösten) Horrorunfällen mit gebrochenen Kurbelwellen, und Zylindern, die in Folge das Gehäuse verlassen und im Umkreis von 100 Metern Chaos anrichten. Die meisten Besucher erstarren beim Öffnen der Türe vor Schreck angesichts der monströsen und gefährlichen Installation, und würden diese (Zitat) "Höllenmaschine" am liebsten komplett abschaffen. Allerdings hat man auch nach Jahren der Suche noch keine Alternative gefunden, und so findet sich aufgrund der enormen Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit in fast jedem Gebäude eine dieser Installationen.

C++
Prinzipiell wie der C-Maschinenraum, nur hat man aufgrund der "Gefährlichkeit" alle Leitungen in Kunststoff-Kabelkanäle gepackt. Das macht den Maschinenraum für Besucher sicherer. Leider tragen die Kanäle räumlich aber ziemlich auf. Zudem hat man es mit der Menge etwas übertrieben, und so sind beim Öffnen der Türe oft nur noch graue Kabelkanäle zu sehen, die in allen Richtungen und in mehreren Lagen verlegt sind. Das erschwert das Nachverfolgen und die Reparatur von Leitungen, außerdem kann die Verlustleistung nicht mehr so gut an die Umgebungsluft abgegeben werden. Auch das Einziehen neuer Leitungen ("ganz einfach durch die vorverlegten Kabelkanäle") ist nicht so einfach wie erhofft, da man erst mal einen kompletten Zug freier Kanäle von A nach B finden muss. Für den Maschinisten ist das unbefriedigend, aber die gelegentlichen Besucher aus Buchhhaltung fühlen sich sicherer und sind froh "dass man von dieser furchtbaren Technik nicht mehr so viel sieht". Findige C-Maschinisten haben eine PVC-Platte vor der Eingangstür angebracht, und ihren Maschinenraum kurzweg als einzigen, großen Kabelkanal deklariert - was die Buchhaltung zähneknirschend als formell zutreffend mit einem Stempel "C++ Maschinenraum" abnicken musste. Es liegt stets ein leichter, etwas muffiger Geruch von altem Turnhallen-PVC in der Luft.

Assembler
Von der Anmutung her ein Fernmeldetechnikraum, es riecht nach Öl. Verkabelung mit Drähten von 0,14qmm Querschnitt, unisoliert, aufgespannt auf einem mechanischen Trägersystem in Fädeldrahttechnik. Sorgfältige Verlegung mit einem Kamm ist Pflicht, um Kurzschlüsse zu vermeiden. Das System ermöglicht extrem kompakte Maschinenräume, und durch die große Oberfläche der Drähte kann (bei entsprechender Zwangskühlung) enorme Leistung transportiert werden. Meist werden nach dieser Bauweise nur einzelne Schaltschränke in C-Maschinenräumen verdrahtet. Allerdings haben es sich Einige zum Sport gemacht, komplette Maschinenräume in dieser Bauweise zu errichten - einfach als Herausforderung, weil man es kann, und um die Buchhaltung zu ärgern. Für Besucher ist der Raum grundsätzlich gesperrt - ein falscher Schritt, und man würde unabsichtlich das Geflecht aus Drähten zerreißen. Der Maschinist kennt dagegen sein System und turnt elegant zwischen den Drähten, bewegt sich aber meist nur in den Lüftungskanälen fort, um an die passenden Stellen des Raums zu kommen.

Cobol
Eigentlich eher ein Aktenlager als ein Maschinenraum, auch wenn die Heftmechanismen der Ordner zweifelsohne Maschinencharakter haben. Der Maschinist ist ein etwas tauber älterer Herr in weißem, gestreiftem Hemd, mit starkem Haarwuchs aus Nase und Ohren. Besucht man den Cobol-Maschinenraum, braucht man viel Zeit, denn die Suche nach Akten dauert, und der Maschinist verplempert viel Zeit indem er alles, was er tut, auf extrem umständliche, weitschweifige Art und Weise erklärt.

Java
Es sind nirgends Metallteile oder offene Drähte zu sehen. Alle Bauteile sind mit einer unangenehm klebrigen, roten Tauch-Gummierung überzogen, so dass man kein Teil direkt anfassen kann, sondern es nur mit speziellen Kunststoff-Werkzeugen berühren und verarbeiten kann. Die Werkzeuge liegen nicht so kalt in der Hand wie die Stahl-Schraubenschlüssel aus dem C-Maschinenraum, brechen aber dafür des öfteren ab und verteilen dabei eine Vielzahl von ungefährlichen, aber lästigen, Plastiksplittern im ganzen Raum. Der Java-Maschinenraum bekommt gelegentlich ungebetenen Besuch von C-Maschinisten, die sich lautstark über die "Kindergartentechnik" lustig machen.

Python
Der Maschinenraum ist angefüllt mit einem riesigen Plastik-Konstrukt aus Fischertechnik. Die Technik ist prinzipiell genormt, allerdings ändern sich die Standardmaße alle paar Jahre subtil um einige Millimeter, so dass nach einigen Jahren des Erweiterns die anfangs schön aussehende Installation komplett aus der Flucht läuft, es keine einzige gerade Kante mehr gibt, und alle Teile in irgendeiner Form unter ungesunder mechanischer Spannung stehen. Dass der Maschinist täglich neue Teile dazubaut, die er auf der Straße gefunden hat, macht die Sache nicht übersichtlicher. Der Maschinenraum wächst schnell und hat viele Funktionen, allerdings sind keine großen Leistungen und Drehzahlen möglich, und der Kunststoff nutzt sich schnell ab. Dafür war es halt billig. Alle drei Jahre wird ein großer PVC-Schrott-Container bestellt, die Technik komplett entfernt und aus neu gekauften Fischertechnik-Teilen der neuesten Bauserie neu von Null auf aufgebaut. Der Maschinist ist ein fröhlicher, kleiner, ungebändigten Optimismus ausstrahlender Kerl, immer ein Liedchen auf den Lippen und nie lange traurig über eine Havarie. Über dem Raum liegt ein feiner Dunst von geschmolzenem Plastik.

Shell
Es ist erstaunlich, was man nur basierend auf dem Metallbaukasten-System alles bauen kann, und der Shell-Maschinenraum legt lebendiges Zeugnis davon ab. Meist als kleiner Schaltschrank begonnen, hat sich das Ganze dann über die Jahre zu einem größeren Metallverhau entwickelt, der zwar abenteuerlich aussieht, aber bei entsprechender Versteifung überraschend robust und langlebig sein kann und auch eine ganz eigene Ästhetik hat. Python-Maschinisten mögen den Shell-Maschinenraum nicht, da man sich an den Metallkanten so leicht schneidet. Shell-Maschinisten mögen dagegen den C-Maschinenraum nicht, wegen der hohen elektrischen Spannungen - auch wenn sie insgeheim eine gewisse Bewunderung hegen. Die Buchhaltung versteht das Shell-System nicht, da es aber nicht so furchterregend ist wie der C-Maschinenraum (und die Bauweise sie an die Spielzeuge ihrer Kindheit erinnert) drücken sie meist ein Auge zu.

Batch-Script
Wie der Shell-Maschinenraum, jedoch aufgebaut ohne jegliche Verbindungselemente wie z.B. Schrauben oder Nieten. Die Einzelteile werden einfach nur lose aufeinander gelegt und dürfen daher nicht berührt werden.
Zuletzt geändert von berferd am Mo 18. Dez 2023, 20:13, insgesamt 2-mal geändert.
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Finger
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Finger »

Ist DAS geil!!!!! Ich bin schlichtweg begeistert!
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Fritzler
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Fritzler »

Kann man so unterschreiben, sehr geil! :lol:
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Smily
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Smily »

Eine hammer Story!
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video6
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von video6 »

Ja top perfekt beschrieben obwohl ich überhaupt nicht programmiere.
Mal sehen ob das irgendwo anders in den Tiefen des Netzes auftaucht nach einiger Zeit.
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Arndt
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Arndt »

Sehr schön beschrieben man befindet sich sofort im entsprechenden Raum wieder!
Könnte man das jetzt nicht noch durch eine KI schieben und zur passenden Illustration Bilder generieren lassen?
jodurino
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von jodurino »

berferd hat geschrieben: Mo 18. Dez 2023, 16:16 C
Elektroingenieurskunst im viktorianischen Stil: ein sorgfältig geplanter und durchdachter Maschinenraum, dicke Kupferleitungen in offener Verlegeweise auf Marmorplatten, Messerkontaktschalter, dazwischen Umrichter in rotierender Bauform und gelegentliche Quecksilberdampf-Gleichrichter. Ein falscher Handgriff, und man verpfufft in einer Lichtbogenentladung, oder wird in die tonnenschwere, offen rotierende Masse des Umrichters gezogen. Das Mythische hier ist noch greifbar, gerüchtehalber leben hinter den Marmorpanelen der Elektrik Dämonen, oder zumindest Kobolde. In der Hand eines ordnungsliebenden, fähigen Maschinisten läuft die Installation mehrere Jahrhunderte störungsfrei und kann enorme Leistungsdichten erreichen. Es ist allerdings zunehmend schwieriger, gutes Personal zu finden, und so hört man gelegentlich von (durch grobe Fehlbedienung ausgelösten) Horrorunfällen mit gebrochenen Kurbelwellen, und Zylindern, die in Folge das Gehäuse verlassen und im Umkreis von 100 Metern Chaos anrichten. Die meisten Besucher erstarren beim Öffnen der Türe vor Schreck angesichts der monströsen und gefährlichen Installation, und würden diese (Zitat) "Höllenmaschine" am liebsten komplett abschaffen. Allerdings hat man auch nach Jahren der Suche noch keine Alternative gefunden, und so findet sich aufgrund der enormen Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit in fast jedem Gebäude eine dieser Installationen.
.....
Genialgut erklärt, aber ich muss da noch auf die seit Jahren oder besser Jahrzenten nicht mehr geöffnete Tür in diesem Raum hinweisen.
Die Initialen J.W.B.* stehen darauf, Du kannst Lochkarten durchschieben: FORTRAN

cu
jodurino

* Backus, der hat am gleichen Tag wie Ozzy Osbourne, Alice Schwarzer, Kati Witt und weitere nicht weiter bekannte Frickler Geburtstag, alleine das sind schon spezielle Vorraussetzungen in dem Maschinenraum hinter der Tür.
Nello
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Nello »

Brillant! Absolut brillant!
berferd
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von berferd »

Danke euch, freut mich dass der Text gut ankommt!
Habe im Text noch ein paar Tippfehler korrigiert.
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Spike
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Spike »

Chapeau!
Krass, wie sehr man die Räume riechen kann... :D
Nello
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Nello »

Mir persönlich fehlen noch Basic, Pascal/Delphi und C#. Macht aber nix, das wird ja sonst endlos und ist bestimmt auch bei Brainfuck und Whitespace noch nicht fertig.
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Marsupilami72
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Marsupilami72 »

Ich versuche gerade, mir den brainfuck Maschinenraum vorzustellen...oder LISP...verstörend :o
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ProgBernie
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von ProgBernie »

Marsupilami72 hat geschrieben: Mo 18. Dez 2023, 20:32 Ich versuche gerade, mir den brainfuck Maschinenraum vorzustellen...oder LISP...verstörend :o
Also bei Lisp kommt mir sofort Time Tunnel in den Sinn: Wissenschaftler in weißen Kitteln laufen mit Clipboard unterm Arm in ein psychedelisches Rohr...
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Chemnitzsurfer
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Chemnitzsurfer »

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Chemnitzsurfer
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Chemnitzsurfer »

Basic
:arrow: Verdrahtung einer Modellbahnanlage die mal ein Hobbyist in den 80er Jahre gebaut hat.
Zwar mit viel Liebe und einer Menge Zeit Zeit entstanden, entspricht das Konstrukt nicht immer ganz den einschlägigen Regeln und Good Practice. Wurde damals anhand von mehrfach kopierten Bildern von Anlagen befreundeter Modellbahnanlagen und Anleitungen aus Hobbyzeitschriften nach dem Motto try and error zusammengestrickt. Läuft irgendwie, nur weiß niemand mehr genau was was macht.
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Marsupilami72
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Marsupilami72 »

Brainfuck

Hinter einer unscheinbaren Tür verbirgt sich der Brainfuck Maschinenraum. Der Raum wirkt eher wie eine Abstellkammer - die Wände sind mit Rauhfaser tapeziert, an der Decke hängt in einer Baufassung eine einzelne Energiesparlampe und taucht den Raum in fahl flimmerndes, kaltes Licht.
Im Raum verteilt stehen mehrere Boxen mit zunächst undefinierbaren kleinen Bauteilen, die sich bei näherer Betrachtung als einfache Schalter, Widerstände und wenige Zentimeter lange Kabelbrücken entpuppen. An einer Wand hängt ein mehrere Quadratmeter großes Steckbrett, an dessen Oberkante eine Reihe Nixies wild wechselnde Ziffern anzeigen. Das Steckbrett ist übersät mit Bauteilen, die offensichtlich alle aus den umliegenden Boxen stammen - komplexe Baugruppen oder auch nur längere Kabelverbindungen sucht man vergeblich.
Bisher unbemerkt taucht hinter einer der Boxen ein Gollum-artiger Maschinist auf, der leise kichernd vor sich hin brabbelt. Man versteht nicht genau, was er sagt - lediglich einzelne Wortfetzen sind auszumachen "Register...Turing vollständig...hihihi...".
In den Brainfuck Maschinenraum verirrt sich selten jemand - und falls doch, werden neugierig ein paar Bauteile und Kabelbrücken auf dem Steckbrett umgesteckt und fasziniert das Nummernspektakel der Nixies beobachtet. Das Interesse hält jedoch selten für mehr als ein paar Minuten an, und die Besucher verlassen den Maschinenraum wieder.
Dann ist Gollum wieder allein "Zeiger...Inkrement...hihihi..."...
berferd
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von berferd »

Brainfuck
Der Maschinenraum ist eine großteils leere Halle aus Sichtbeton, in der Mitte befindet sich eine Art Tümpel. Der Raum ist von blitzenden Stroboskoplichtern und stampfenden Bässen erfüllt, deren Herkunft vage bleibt. Jegliche Anfragen an den spindeldürren, wild zappelnden Maschinisten, welche Aufgabe dieser Maschinenraum denn nun konkret erfüllt, gehen in dem Lärm und allgemeinen Chaos unter. Der Maschinist brüllt mit weit aufgerissenen Augen minutenlang aus Leibeskräften, um sich verständlich zu machen, identifizierbar war bisher aber nur den Satz "Das System ist das Problem!". Im Tümpel steckt halb versunken ein riesiger, rot lackierter Seitenkanalverdichter und schwingt den angeflanschten Wellrohr-Rüssel bedrohlich durch den Raum, so dass sich Maschinist und Besucher in Acht nehmen müssen. Auf dem Boden befinden sich Pfützen von Erbrochenem. Die Buchhaltung wird nur ungern an diesen Raum erinnert. Alle anderen Maschinisten sind sich in ihrer Ablehnung ausnahmsweise konsequent einig, und halten sich von diesem Maschinenraum ebenso konsequent fern. Sie werfen höchstens mal einen Blick durch den Türspalt und ziehen dann kopfschüttelnd (und halb taub) wieder ab.

BASIC
Ein mit blauem Teppich ausgelegter Raum. Die "Maschinerie" ist übersichtlich und besteht aus einem unscheinbaren Bauwerk aus weißen Holzbauklötzen. Es ist keinerlei Bewegung oder Aktivität erkennbar. Positiv hervorzugeben ist, dass man hier nicht viel kaputt machen kann. Mit genug Geduld und Zeit kann ein fähiger Maschinist hier erstaunliches leisten - so erzählt man sich. Es gibt nur noch wenige erhaltene Maschinenräume dieser Bauart, und noch weniger Personen, die diese vermissen.

LISP
Der Maschinenraum erinnert etwas an die weithin bekannte "Incredible Machine", bestehend aus einer Vielzahl von nur gedanklich verbundenen Einzelzeilen, mit einem ganz wesentlichen Unterschied: kein Teil der Maschine ist dauerhaft in Kontakt mit dem Boden. Jedes Maschinenteil stößt sich vom Boden ab, vollführt in der Luft einige Pirouetten, interagiert noch mit ein paar anderen Teilen und wird dann von einem weiteren, gerade aufsteigenen Bauteil aufgefangen und in eine andere Richtung geworfen. Die Luft ist erfüllt von umherfliegenden Zahnrädern, dazwischen der Maschinist, der mit einem Affenzahn rückwärts durch den Maschinenraum rast. Die Maschine ist in einem eingeschwungenen, dynamisch ausgewuchteten Zustand und kann nicht abgestellt werden. Teile können nur im laufenden Betrieb getauscht werden, indem sich der Maschinist auf eine gemeinsame Umlaufbahn begibt und dann bei Relativgeschwindigkeit Null mit ein paar schnellen Handgriffen die nötigen Reparaturen vollzieht. Ein Besuch in diesem Maschinenraum ist ein bisschen wie ein Zirkusbesuch, nur der Trommelwirbel und das Netz fehlt.

C#
Der Versuch von Microsoft, den wohlklingenden Ruf des C-Maschinenraums für eine ganz eigene Maschinenraumarchitektur zu nutzen. Sie haben dazu ein Gremium gebildet, das das Beste aller Maschinenräume sammeln und vereinen soll. Offenbar gab es Kommunikationsprobleme, denn herausgekommen ist ein Maschinenraum, der konsequent die Nachteile aller anderer Maschinenraumklassen miteinander vereint, und zudem aufgrund klimatischer Bedingungen nur nördlich eines bestimmten Breitengrads betrieben werden kann. Insbesondere Letzteres schränkt die Verbreitung dieses Maschinenraumtyps stark ein, auch wenn Experimente mit vollklimatisierten Räumen Erfolg versprechende Ergebnisse gezeigt haben. Die Buchhaltung hat eine unerklärliche Begeisterung für diesen Typ Maschinenraum entwickelt - vermutlich aber nur vorgetäuscht, um den Maschinisten zu ärgern.

Pascal
Ursprünglich als Führerstand-Simulator für angehende Maschinisten entwickelt, existiert nur noch ein einziger Maschinenraum, welcher aber tapfer den Stürmen der Zeit trotzt. Zum Austausch einzelner Komponenten muss stets der gesamte Maschinenraum ab- und neu aufgebaut werden. Der Maschinist ist Havarieerfahren, er hat wurde für seine Tapferkeit in den Compilerkriegen in Borland (dort fremden Berichten zufolge von einem Schwein gebissen) ausgezeichnet. Seine Kriegserfahrungen haben ihn allerdings nervlich etwas mitgenommen, so dass er jedes Verb mit "-ln" beendet: "Ich darfln Sie in unserem Maschinenraum begrüßln, werter Besucher!". Auch pflegt er einige weitere Verschrobenheiten, wie z.B. die Ablage von Werkzeugen in eine jeweils für jedes Werkzeug speziell in exakt passender Größe maßgefertigten Holzschublade. Die Steckdosen im Maschinenraum sind vom Typ L (Italien), die Kühlwasseranschlüsse zölliges Linksgewinde mit metrischer Steigung.
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scotty-utb
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von scotty-utb »

Ach ja,
Turbo-Pascal am 486er damals an der Schule...
Eine art Basic am Amiga500 (konnte Fenster auf der grafischen Benutzeroberfläche)
ASM für DSPs viel später (da ist nicht viel hängen geblieben)
TCL/TK und damit Excel ferngesteuert *grusel
und in der Arbeit C, der Maschinenraum kommt mir bekannt vor, ja
Nello
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Nello »

Danke! Tränen gelacht!
Das wird ein Klassiker!
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PowerAM
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von PowerAM »

Tiny Basic

Beim Betreten des Maschinenraums fällt sofort ein sich langsam an der Decke drehendes Mobile auf, im Hintergrund klimpert dezent eine immer langsamer werdende Klimpermelodie, die an eine Spieluhr erinnert und irgendwann an unpassender Stelle stehen bleibt. Verstummt sie, äußert sich lautstark aber dennoch unverständlich der Unmut des Maschinisten und dieser verstummt erst, als an einem an einer Schnur von der Decke hängenden Ring gezogen wird, worauf die Klimpermelodie lauter und energischer als zuletzt erneut erklingt.

In einer Ecke des ansonsten erstaunlich wohnlich eingerichteten Maschinenraums steht ein kleiner Käfig, an dessen Streben sich der Maschinist gelegentlich hochzieht, um neugierig aus seinem Gatter zu schauen, das selbst zu verlassen er nicht imstande ist. Erspäht er nichts von Interesse, lösen sich seine Finger in Zeitlupe und er sackt ebenso langsam in sich zusammen. Passieren kann ihm nichts, sein Po ist dick gepolstert.

Im Raum schwebt ein Aroma, das sich aus abgestandener Luft, Verdauungsgasen bzw. halbflüssigen Rückständen aus der Verdauung des Maschinisten sowie etwas seltener auch dem Geruch flüssig Erbrochenem zusammen mischt. Gelüftet wird selten, da der Maschinist rasche Temperaturwechsel, frische Luft im Allgemeinen, grelles Licht und den Lärm von der Straße vor dem Maschinenhaus nicht erträgt.

Wie die Maschine konkret funktioniert oder wie sie überhaupt aussieht, das weiß nur der Maschinist selbst und solche Besucher, die eine absolut identische Ausbildung haben und deren Lebensalter sich untereinander nur um Jahre in unterer einstelliger Zahl unterscheiden darf. Gemeinsames Arbeiten an der Maschine ist ihnen so ohne vorheriges Briefing möglich, wobei Unstimmigkeiten ganz pragmatisch durch zunächst einfaches Umschubsen oder in der Steigerung durch das Wegnehmen des Werkzeugs ausgeräumt werden. Ganz grobe Differenzen eskalieren darin, den Hilfsmaschinisten das Werkzeug über den Kopf zu ziehen. Nachtragend sind Tiny Basic-Maschinisten untereinander jedoch nicht, an derartiges können sie sich bereits am Folgetag nicht mehr erinnern.

Dennoch arbeitet der Maschinist Nr. 1 mit einer kaum einzudämmenden Beharrlichkeit und trotz des sehr eingeschränkten Funktionsumfangs an seiner Maschine. Gehässig behaupten fachfremde Besucher, der Maschinist wäre nur aufgrund der absichtlich sehr einfach gehaltenen Maschine überhaupt fähig, diese zu bedienen. Mit solchen Menschen redet der Maschinist aus Prinzip nicht, straft sie mit Ignoranz, schreit sie ohne Vorwarnung an oder erbricht auf ihrem Rücken. Lässt man ihn dagegen im Glauben, ganz unbeobachtet Herr der Lage zu sein, kann man ihn beim Auflesen von Krümeln sehen, die er im Ausdruck tiefster Entspannung aus seinem Gatter durch die Streben nach draußen entfernt.

Allgemein ist der Maschinist über weite Teile des Tages damit beschäftigt, sich selbst zu ernähren und anschließend liegend sowie mit geschlossenen Augen zu verdauen. Dafür ist ihm seine Zeit für Nachtarbeit auch nicht zu schade, die er sehr zum Missfallen anderer auch akustisch in den Vordergrund zu schieben vermag.

Als erforscht gilt, dass der Maschinist seiner Rolle mit zunehmender Erfahrung entwächst. Erste Fluchtversuche aus seinem Gatter weisen dezent darauf hin. Steht der Maschinist überraschend außerhalb des Gatters im Maschinenhaus, wird er wohl darauf drängen, zum Basic-Maschinisten aufsteigen zu dürfen.

Alle Tiny Basic-Maschinisten sagen von sich, dass sie an diese Phase ihres Berufslebens nur wenig Erinnerung haben und dies meist auch nur sehr prägende Ereignisse waren. Ausnahmslos sagen sie, dass sie froh seien, aus der Tiny Basic-Phase herausgewachsen zu sein. Dennoch behaupten die meisten, dass es ihnen in dieser Phase doch ganz gut gegangen sei.
Zuletzt geändert von PowerAM am Di 19. Dez 2023, 20:11, insgesamt 4-mal geändert.
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Torpert
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Torpert »

berferd hat geschrieben: Mo 18. Dez 2023, 20:00 Danke euch, freut mich dass der Text gut ankommt!
...
Mehr mehr mehr 🤗

Hast du auch für Perl was? 😇
berferd
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von berferd »

Denke das wars erst mal von meiner Seite... aber falls jemand ein paar KI-Bilder oder -Videos draus generieren will (Idee hatte ja schon jemand erwähnt), ich wär gespannt.. :lol:
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PowerAM
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von PowerAM »

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Julez
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Julez »

So. Kann jetzt noch mal bitte jemand die Texte in Chat GPT einspeisen mit der Bitte, einen Prompt zu generieren, der dann mit so einem KI-Bildgenerator das Ganze visualisiert?
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Chemnitzsurfer
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Chemnitzsurfer »

Habe mal etwas mit stabel diffusor herumgespielt, na wer erkennt was, was es sein soll (Texte teilweise leicht gekürzt durch Google translate gejagt)
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ch_ris
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von ch_ris »

bin grade intensiv mit Java beschäftigt. seit einer Dekade erstmalig wieder.
Java muss, mit cpp krieg ich das nicht hin.
in dem Zusammenhang schaue ich mir auch alte JavaScripte von mir an.
meine Assoziationen sind weniger unterhaltsam:
Java ist Faschismus.
JavaScript dagegen reine Anarchie.
beides auf seine eigene Art frustrierend.
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Fritzler
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Re: Wenn Programme Maschinenräume wären

Beitrag von Fritzler »

Musste eben die Schlange würgen (Python).
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