Bahnstrom

Der chaotische Hauptfaden

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Schneewittchen
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Bahnstrom

Beitrag von Schneewittchen »

Neulich bei "Wer weiß denn sowas" wurde behauptet das östereichische und deutsche Lokomotiven aus Gleichstrom mit Wechselrichtern Wechselstrom machen um ihre Drehstrommotoren damit zu betreiben.
Bisher war ich der Meinung daß die Bahn Wechselstrom mit 16,7 Hertz benutzt.
Erzählen jetzt die Öffentlich-Rechtlichen auch schon Quark oder wie sehe ich das? Es ist mir schon in anderen Sendungen aufgefallen daß die es nicht so genau nehmen.
Matt
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Matt »

Erstemal beim DB Baureihe 120 gemacht,

Allerdings wird 16 1/3 Hz ins Gleichspannung gewandelt, dann ins frequenzvariabele Drehstrom per Umrichter gewandelt.
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Schneewittchen
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Schneewittchen »

Noch komplizierter geht wohl kaum... :mrgreen:
Matt
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Matt »

16 2/3Hz ist historisch bedingt ausgewählt.

Damals hat Elektro-Lok einzige riesige E-Motor mit viel induktivität. -> Lahme Brummbär, wenn der mit 50Hz Wechselspannung betrieben wird.
Bzw. Hat Kraft, wenn es mit Gleichspannung versorgt wird. Allerdings lässt Gleichspannung schlecht weit übertragen.
Daher hat man Kompromisse gewählt, niedrigfrequente Wechselspannung.

Das Grund für weiternutzen von 16 2/3Hz ist seit etwa 1950/60er obsolent und man belässt es aus Gewohnheit (oder Umrüstung ist aufwändig und teuer)


Es gibt recht schräge Bahnstrom-System: Norditalien mit ihre Drehstrom-Netz

viewtopic.php?f=14&t=38&p=278030&hilit=trifase#p278030
Zuletzt geändert von Matt am So 14. Feb 2021, 18:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Schneewittchen
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Schneewittchen »

Danke Dir, wieder was gelernt.
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Lötfahne
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Lötfahne »

16 2/3 Hz bitteschön, so viel Zeit muß sein. :mrgreen:
Matt
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Matt »

Ich war eh zu faul Frequenzangabe zu kontrollieren ;-)
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BernhardS
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Re: Bahnstrom

Beitrag von BernhardS »

Das ursprüngliche Problem war das Bürstenfeuer bei großen Wechselstrommotoren. Deswegen ist man mit der Frequenz soweit runter, wie irgend möglich.
Nach dem zweiten Weltkrieg war nochmals die Chance auf 50Hz umzusteigen, aber die Bahnoberen haben ihr System als weit zuverlässiger eingestuft als das 50Hz-Netz und wollten sich nicht daran binden bzw. nicht dieses stützen müssen.
Die 16,66 Hz auf eine höhere Frequenz umzuformen verursacht erstmal Aufwand, jedoch werden die Motoren mit der Frequenz signifikant kleiner. Die Regelfähigkeit sowie die Bremsenergierückspeisung kommen auch auf die Plus-Seite. Also eine Frage der Abwägung.
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Alexander470815
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Alexander470815 »

Der Asynchronmotor am Frequenzumrichter ist halt mittlerweile das Arbeitstier bei Elektroloks.
Einfach in der Konstruktion und Wartungsarm im Gegensatz zu Reihenschluss Motoren.

Mittlerweile hat man also eher mehr Nachteile durch die 16,7Hz Technik als Vorteile.

Neuere Loks unterstützen auch oft den Betrieb an mehreren Stromsystemen.
25kV 50Hz oder 3kV DC sind z.B. auch dabei.
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MatthiasK
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Re: Bahnstrom

Beitrag von MatthiasK »

Um zu verstehen, warum das so gemacht wird, muss man mal die Geschichte betrachten.

Der Reihenschlussmotor ist einfach doof. Die Kohlebürsten haben viel Verschleiß und erzeugen Bürstenfeuer. Mit Wechselstrom betrieben ist der Wirkungsgrad auch nicht so toll, weil da immer ein kurzgeschlossener Trafo mit drin steckt. Aber es war halt der einzige Motor der Ende des 19 Jhd. brauchbar regelbar war.

Mit Gleichstrom betrieben sind die Eigenschaften zwar besser, aber für 6MW braucht man bei 2,4kV halt locker 4kA. Um so viel Strom fließen zu lassen, braucht man viel Kupfer, das will man nicht in der Landschaft verteilen. Und um einen Gleichstrommotor zu regeln konnte man damals nur mit Reihen- und Parallelschaltung sowie Widerständen. Die Widerstände werden heiß (schlecht für den Wirkungsgrad) und müssen gut gekühlt werden oder dürfen nur kurz benutzt werden.

Also baut man einen Trafo in die Lok. Der Trafo ist schwer und macht die Lok stark. Ein 10:1-Trafo braucht - mit etwas Blindstrom - nur noch 500-600A in der Fahrleitung für 6MW bei 15kV. Über verschiedene Anzapfungen auf der Sekundärseite kann man die Leistung der Lok einfach über die Motor-Spannung regeln. Damit das Bürstenfeuer nicht zu viel wird, hat man damals viel mit niedrigeren Frequenzen rum probiert, am Ende fand man 16 2/3Hz (50Hz/3) einen guten Kompromiss und einigte sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf dieses System. Später übernahmen auch noch Schweden und Norwegen dieses System (Dänemark leider nicht).

Einige Länder haben Gleichstrom-Fahrleitungen gebaut, weil das einfach geht. Aber da man dort ein echtes Leistungsproblem (Hochgeschwindigkeitszüge sind halt in) hat, baue eigentlich fast alle dieser Länder jetzt auch mit Wechselstrom über neueren Strecken. Fast alle haben sich dann gesagt, ach wir nehmen einfach 50Hz, das haben wir schon und schließen uns einfach am normalen Stromnetz an. Gut, ganz so einfach ist das nicht (mal eben 6MW oder mehr Schieflast ins Netz schalten - die Netzbetreiber lieben dich), aber es ist machbar, wenn auch mit Nachteilen. Ein großes Problem mit den 50Hz ist die Induktivität der Leitung, man hat schnell eine Spule mit 100km² Fläche. Um den Blindwiderstand teilweise zu kompensieren, verwendet man daher heute bei 50Hz in der Regel 25kV. Problematisch blieb das massive Bürstenfeuer, das man erst mit Leistungselektronik wirklich in den Griff bekam.

Es wurde in den folgenden Jahren viel mit der Antriebstechnik experimentiert, z.B. entstand in Österreich die Baureihe 1082, wo man auf den ersten Blick fragt, ob die Konstrukteure sich nicht einigen konnten, ob es eine Ellok oder eine Dampflok werden soll. In Wahrheit waren sie nur ihrer Zeit um 40 Jahre voraus.

Eine andere Idee war, in die Lok statt einen Stelltrafo einen Trafo mit steuerbaren Gleichrichter einbauen und die Motoren dann über Phasenanschnitt geregelt. Das funktioniert besser mit höheren Frequenzen wie 50Hz. In Deutschland verwendete man das u.a. bei der Höllental-Lok E244 01 (Zeit war für diese Technik noch nicht reif), Baureihe 181 und Baureihe 420.

Weil die ganzen Hilfsbetriebe bei der Bahn immer teure Sondermotoren brauchten, überlegte man sich bei der Baureihe 420, wie das mit billiger Industrieware geht. Z.B. mit den normalen 400V/50Hz, wo man alles "Von der Stange" bekommt. Also baute man einen Frequenzumrichter ein, der ein normales Drehstromnetz erzeugt und sparte viel Geld.
Danach fragte sich jemand bei BBC "Und warum machen wir das nicht mit den Fahrmotoren?", weil bei großen Industrieantrieben der Drehstrom-Asynchronmotor mit Frequenzumrichter so langsam normal wurde. Es wurde viel überlegt und gebastelt, 3 Versuchslokomotiven entstanden um das ganze noch mal auszuprobieren.
In den 50ern hatte das schon mal jemand in Großbritannien einen Frequenzumrichter aus Thyristoren in einer Lok ausprobiert, aber damals war die Technik einfach noch nicht reif dafür.
Dass der erste Kunde für diese damals bei Eisenbahnen neue Technik dann gleich eine Mehrsystemlok (15kV 16,7Hz und 15kV 50Hz) wollte, war kein Problem.
Diese Technik setzte sich dann bei neuen Fahrzeugen recht schnell durch und verdrängte so ziemlich alles andere. Dass danach in der BRD noch Loks in klassischer Wechselstromtechnik gebaut wurden, hatte politische Gründe.

Die Anpassung an verschiedene Fahrleitungs-Spannungen erfolgt nur über den Trafo. Es gibt sich - soweit ich weiß - nur noch einen Trafo für die beiden gängigsten Wechselstrom-Systeme 15kV/16,7Hz und 25kV/50Hz, der verschiedene Ausgänge hat. Je nachdem, was der Kunde bestellt, wird auf eine der beiden Spannungen angeklemmt oder es wird ein Umschalter eingebaut.
Und so kam es, dass sich Bombardier von der DB-Regio eine 146er ausgeliehen hat und in Budapest bei einer Bahnmesse damit munter unter der 25kV-Leitung gefahren ist.

Sonderlich aufwändig finde ich die Drehstromtechnik von heute nicht. Heute wird ja fast in jedes Gerät, das nicht bei drei auf den Bäumen ist, ein Frequenzumrichter eingebaut. Z.B. Waschmaschinen, Kühlschränke, Akkuschrauber,...
Nello
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Nello »

Tolles Referat! Enorm kenntnisreich und vergnüglich zu lesen - da bleibt viel hängen. Danke dafür!
duese
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Re: Bahnstrom

Beitrag von duese »

Eine Ergänzung noch: Seit 1995 ist die Nennfrequenz 16,7 Hz, nicht mehr 16 2/3 Hz. In Niedriglastzeiten wird die Nennfrequenz recht genau erreicht und das verursacht bei 16 2/3 Hz : 50 Hz Gleichströme in den Asynchronumrichtern. Wenn die Frequenzen leicht verschoben sind, rotieren die Gleichanteile und belasten die Generatoren gleichmäßig.
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uxlaxel
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Re: Bahnstrom

Beitrag von uxlaxel »

Lötfahne hat geschrieben: So 14. Feb 2021, 17:41 16 2/3 Hz bitteschön, so viel Zeit muß sein. :mrgreen:
auch falsch, 16,7Hz! Das wurde bewusst geändert, damit keine Wechselwirkungen mehr zum 50Hz-Netz (3. Oberwelle) entsteht.

edit, daniel hatte es bereits geschrieben und ich nur überlesen.
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uxlaxel
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Re: Bahnstrom

Beitrag von uxlaxel »

fahren straßenbahnen eigentlich mit 100Hz pulsierendem gleichstrom (50Hz über B4U)?
xanakind
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Re: Bahnstrom

Beitrag von xanakind »

Mal ein paar Fragen von einem "Nicht-Bahner":
Wie werden denn diese 16,"wasauchimmer" Hz eigentlich erzeugt?
Überhaupt Bahnstrom: Wo kommt der denn her?
Stehen alle 10 Kilometer Umformer, welche aus dem normalen 50 Hz gespeist werden?
Und braucht eine normale Lok tatsächlich 6 MW ( Sechs MEGAWatt!) Leistung beim anfahren? :o
Wieviel Leistung hat denn dann solch ein Umformer? Das müssen ja Gewaltige Generatoren sein.
xanakind
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Re: Bahnstrom

Beitrag von xanakind »

Hat sich erledigt, zu diesem Thema gibt es einen sehr ausführlichen Wikipediaartikel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrom
Faszinierend!
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ferdimh
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Re: Bahnstrom

Beitrag von ferdimh »

Und braucht eine normale Lok tatsächlich 6 MW ( Sechs MEGAWatt!) Leistung beim anfahren? :o
Tatsächlich nicht. Die Leistung steigt mit der Geschwindigkeit an. Also braucht die Lok die 6 MW nicht beim Anfahren, sondern irgendwo um die 80 km/h rum.
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BernhardS
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Re: Bahnstrom

Beitrag von BernhardS »

xanakind hat geschrieben: Mo 15. Feb 2021, 01:08 Mal ein paar Fragen von einem "Nicht-Bahner":
Wie werden denn diese 16,"wasauchimmer" Hz eigentlich erzeugt?
Überhaupt Bahnstrom: Wo kommt der denn her?
Stehen alle 10 Kilometer Umformer, welche aus dem normalen 50 Hz gespeist werden?
Wer dieses Jahr nach Bayern kommt, kann ja einen Ausflug an den Walchensee machen. 3 Generatoren Bahnstrom, 3 Generatoren Netzstrom.
Die Bahnstrommaschinen haben auch andere Turbinen, die mit der häufig stark wechselnden Belastung besser zurecht kommen.
Bahnstromgeneratoren und -Trafos sind in der Tat deutlich größer.
Grundsätzlich macht die Bahn ihren Strom bislang selbst, Umformer am 50Hz-Netz sind nicht so viele
ferdimh hat geschrieben: Mo 15. Feb 2021, 01:32
Und braucht eine normale Lok tatsächlich 6 MW ( Sechs MEGAWatt!) Leistung beim anfahren? :o
Tatsächlich nicht. Die Leistung steigt mit der Geschwindigkeit an. Also braucht die Lok die 6 MW nicht beim Anfahren, sondern irgendwo um die 80 km/h rum.
Wenn der Zug sehr lang ist, sprich Güterzug, dann schiebt man die Wagen minimal rückwärts, so daß die Kupplungen entlastet sind. Dann fährt die Lok langsam los und bringt die Wagen nacheinander aus der Haftreibung in die Rollreibung.
Matt
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Matt »

Das ist Grund,d ass Güterzug-Wagen locker miteinander gekuppelt ist, währendessen beim Reisenzugswagen Kluppung fest gespannt ist.
Denn Lok müsste nur einzelne Güterzug-Wagen ins Bewegung setzen. Man kann gut Luft zwischen Puffer sehen, wenn Güterzüg in Bahnhof anhält (öfter in Bamberg zu sehen)
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Desinfector
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Desinfector »

so ungewöhnlich ist Gleichstrom nun auch nicht, die S-Bahnen fahren damit.

BTW hat es eine tiefere Bedeutung, dass "drei mal" 16zwodrittel = 50 sind?
duese
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Re: Bahnstrom

Beitrag von duese »

Nicht alle S-Bahnen. Die Münchner S-Bahn fährt mit 15kV 16,7 Hz.

Die Teilung 1:3 liegt in der möglichen Bauart von Drehstromgeneratoren und Motoren.

Wenn Du einen Generator mit Polpaarzahl 3 mit 1000 U/min drehst, bekommst Du 50 Hz, weil der Rotor dreimal pro Umdrehung an zusammengehörigen Polen vorbei kommt.
Wenn Du einen Generator mit Polpaarzahl 1 mit 1000 U/min drehst, bekommst Du 16 2/3 Hz, weil der Rotor entsprechend seltener vorbei kommt.

Analoges gilt für Motoren.

Damit kannst Du auf einer Turbinenwelle Generatoren für beide Stromsysteme betreiben oder auch durch Kopplung von Motor und Generator einfache Umrichter zwischen den Frequenzen bauen.

Von diesen Polpaarzahlen kommen auch die gängigen Drehzahlen von Drehstrommotoren und Generatoren:
Polpaarzahl 1: synchrone Drehzahl 3000 U/min, Asynchronmotoren durch den Schlupf etwas weniger ~2900 U/min
Polpaarzahl 2: synchrone Drehzahl 1500 U/min, Asynchronmotoren durch den Schlupf etwas weniger ~1450 U/min

Im 60 Hz Netz entsprechend 3600 U/min bzw 1800 U/min
Matt
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Matt »

Desinfector hat geschrieben: Mo 15. Feb 2021, 16:05 so ungewöhnlich ist Gleichstrom nun auch nicht, die S-Bahnen fahren damit.

BTW hat es eine tiefere Bedeutung, dass "drei mal" 16zwodrittel = 50 sind?
Hamburger und Berliner S-Bahn fährt mit Gleichspannung, währendessen fuhr meiste S-Bahn mit konvontielle Bahnstrom.
Münchner S-Bahn hat aber eine Besondersheit: Der darf 1050 A statt reguläre 600A Oberstrom ziehen. Ob es woanders ebenso handgehabt wird, wweiss ich nicht.
Das erklärt für ihre abartige Beschleunigung (der wohl seit 10 jahre gedrosselt ist)
Früher ging ich in München zur Schule, der vor kurzem als Lostplace abgebrannt ist. Ich kann mich gut erinnern, wie Tachonadeln 0 bis 100 weniger als 25 Sekunden braucht.
jodurino
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Re: Bahnstrom

Beitrag von jodurino »

Und dann gibt es noch die Gornergratbahn mit ihren Doppelstrohmabnehmern,

750 V 50Hz Drehstrom

https://de.wikipedia.org/wiki/Gornergratbahn

Gab es 2005 auf der Modell-Messe in Leipzig zu sehen, das für mich irre Detail für den Messestand wurden Originalsteine aus der Schweiz per UPS versendet.


cu
jodurino

P.S. also doch Eisenbahnromantik hier im Forum, also mir gefällt es.
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MatthiasK
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Re: Bahnstrom

Beitrag von MatthiasK »

Bei Gleichstrombahnen würde ich eher 20% Ripple mit 300Hz erwarten. Man will doch keine Schieflasten erzeugen. Könnte ich mal versuchen, nachzumessen, ich kenne da eine Stelle auf Lötfahnes Stammstrecke, bei der man hinter den Isolator greifen konnte. Wenn das nicht mittlerweile umgebaut wurde, könnte ich mal mein Hand-Oszi dran halten.
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reutron
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Re: Bahnstrom

Beitrag von reutron »

Die verschiedenen "Stromarten, Formen wie auch immer" sind wichtig wegen der Potenzalausgleichströme die in der Erde unterwegs sind und es gibt schon so genügen Probleme dadurch. ;)
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MatthiasK
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Re: Bahnstrom

Beitrag von MatthiasK »

Die Schienen haben gegenüber der Fahrleitung + zwei Trafos so viel Widerstand, dass es in Berlin da auch etwas Spaß mit dem Mischbetrieb gab. Das konnte dazu führen, dass die Thyristor-Schaltwerke der DR-Elloks unter bestimmten Bedingungen nicht abschalten konnten. Daher musste eine Grundlast-Drossel einbaut werden.
D2O
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Re: Bahnstrom

Beitrag von D2O »

Der Zugfunk-Podcast beschäftigt sich sowohl auführlich als auch gut erklärend mit allen Aspekten des Bahnstroms.
Wie er zur Lok kommt, wie welche Lok dann daraus Bewegung macht etc.

Zum Einstieg vielleicht diese Folge:
https://zugfunk-podcast.de/2018/02/09/z ... hselstrom/
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Lötfahne
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Lötfahne »

MatthiasK hat geschrieben: Mo 15. Feb 2021, 17:31 Bei Gleichstrombahnen würde ich eher 20% Ripple mit 300Hz erwarten. Man will doch keine Schieflasten erzeugen. Könnte ich mal versuchen, nachzumessen, ich kenne da eine Stelle auf Lötfahnes Stammstrecke, bei der man hinter den Isolator greifen konnte. Wenn das nicht mittlerweile umgebaut wurde, könnte ich mal mein Hand-Oszi dran halten.
Äh... Wo? :?:
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MatthiasK
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Re: Bahnstrom

Beitrag von MatthiasK »

Nach den Google-Bildern sieht das etwas anders aus, als es nach meiner Erinnerung mal war. Das Gitter ist jetzt anders und die Ausleger haben längere Isolatoren. Ich meine, dass der Ausleger früher mal durch ein Loch im Gitter ging. Aber über das Gitter müsste man noch immer drüber greifen können.
https://www.google.de/maps/@49.4901625, ... 312!8i6656
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Desinfector
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Desinfector »

MatthiasK hat geschrieben: Mo 15. Feb 2021, 17:31 Bei Gleichstrombahnen würde ich eher 20% Ripple mit 300Hz erwarten. Man will doch keine Schieflasten erzeugen. Könnte ich mal versuchen, nachzumessen, ich kenne da eine Stelle auf Lötfahnes Stammstrecke, bei der man hinter den Isolator greifen konnte. Wenn das nicht mittlerweile umgebaut wurde, könnte ich mal mein Hand-Oszi dran halten.
hvad?

wo willst Du da messen?
Hesselbach
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Hesselbach »

Hallo,

Ich bin immer noch ein Fan von den Gleichstrom-Reihenschlussmotoren. Diese waren bis in die späten siebziger bei den Straßenbahnen eingesetzt. Ich denke da vor allem an den EM 60/600 einen Tatzlagermotor der seit den fünfziger Jahren hier im Westen in fast allen 2 Achser-Triebwagen eingesetzt war. Das war ein eigenbelüfteten Motor der auch stark überlastbar war, das mit den Bürstenfeuer hielt sich sehr in Grenzen wenn die vier Kohlenhalter die verdrehbar mit einem Ring am Lagerschild befestigt waren korrekt eingestellt waren, d. h. korrekt in der neutralen Zone die von den vier Wendepolspulen erzeugt wurde. Der Austauschintervall der Kohlen betrug so zwischen 60 und 80.000 km. Über einen Fahrschalter wurde die Spannung zunächst über Widerstände an die beiden in Serie geschalteten Motoren angelegt, so etwa in der mittleren Fahrstufe wurden dann beide Motoren parallel geschaltet und die Widerstände nach und nach ausgeschaltet so das bei Volllast beide Motoren an der Fahrdrahtspannung von 600 V hingen. Die Widerstände waren zweimal vorhanden, einmal auf dem Dach fahrtwindgekühlt für den Sommerbetrieb und im Innenraum unter den Fahrgastsitzen verteilt gebläsegekühlt als Heizung im Winter. Beim Bremsen mussten dieselben Widerstände herhalten wenn die beiden Motoren über Kreuz als Generator geschaltet wurden. Auch heute laufen noch einige der alten Zweiachser als Museumstram und auch als Arbeitswagen. Des Öfteren müssen die Wagen im Winter noch herhalten um moderne Elektronik-Triebwagen abzuschleppen zum Beispiel bei vereister Fahrleitung wo dann bei den modernen ein Display aufleuchtet:ERROR. Bei den Oldies fliegen dann am Stromabnehmer ein paar Funken es gibt den ein oder anderen Ruck aber das Ding läuft und schleppt die moderne Tram heim ins Depot.


Gruß
Hesselbach
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Roehricht
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Roehricht »

hallo,
In den 50ern hatte das schon mal jemand in Großbritannien einen Frequenzumrichter aus Thyristoren in einer Lok ausprobiert, aber damals war die Technik einfach noch nicht reif dafür.
Die 50er Jahre halte ich für gewagt. Die ersten Leistungs Thyristoren für hohe Spannungen und hohe Ströme kamen mitte der 60iger von der Firma Westinghouse auf den Markt. Siemens hier 1967.
1971 hatte die Hamburger Hochbahn ein Wagen im Testbetrieb mit einem Drehstrommotor und Transistor Stromrichter von Westunghouse. Die Westinghouse Werbung stand draussen auf dem Zug.

Hamburger U-Bahn läuft mit 750V , plus geerdet, die S-Bahn mit 1200V. Die Gleichrichterstationen werden direkt aus dem 110kV Netz versorgt. Es gibt mehrere Gleichrichteranlagen übers Stadtgebiet verteilt.
Die Gleichrichter arbeiten durchweg im 12-Puls Betrieb wegen geringer Welligkeit.

73
Wolfgang
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Marsupilami72
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Marsupilami72 »

Richtig schräg finde ich ja sowas hier, Drehstromantrieb mit mechanischem(!) Phasenumformer und regelbarem Flüssigkeitswiderstand zum Anfahren:

https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%81V-Baureihe_V50
Matt
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Matt »

Ja, das mit Sodabrühe ist oft früher in Norditalien zu sehen..und mit Umformer nur bei paar Typ, der auf 50 Hz Drehstromstrecke bei Rom. Der natürlich sehr schnell durch Gleichstrom-Netz ersetzt ist.

https://www.youtube.com/watch?v=QnUgsd1SiT4

0:50, da zeigt dampfende Elektrolok (Sodabrühe als Anfahrtswiederstand)

Ami baut früher auch einige Umformer-E-Lok, letztere ist wirklich Monster, wenn es um Zugkraft anging.

https://de.wikipedia.org/wiki/GN-Klasse_Y1
https://de.wikipedia.org/wiki/PRR-Klasse_FF1
https://de.wikipedia.org/wiki/VGN-Klasse_EL-2B
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Marsupilami72
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Marsupilami72 »

Die Schweden nutzen auch richtig große Planschbecken, um ihren Sender zu regeln:

https://youtu.be/MoOeGfIoBjY
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ferdimh
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Re: Bahnstrom

Beitrag von ferdimh »

Hesselbach hat geschrieben: Di 16. Feb 2021, 15:45Diese waren bis in die späten siebziger bei den Straßenbahnen eingesetzt.
Die habensich deutlich länger gehalten. In Straßenbahnen dürften die letzten mitte der 90er nach Kassel gegangen sein (da im Übrigen mal wirklich mit einer Drehstrommaschine ebenbǘrtiger Blechqualität gebaut - auf einmal sind die Dinger nur noch halb so groß), die letzten Vollbahn-420er müssten 1998 gebaut worden sein.

Generell war gerade der Straßenbahnsektor sehr träge in der Umstellung auf Drehstrommaschinen. Während Werkzeugmaschinen schon 1980 selbstverständlich mit Drehstromspindeln gefertigt wurden, und auch bei der DB die ersten Drehstromloks um die Zeit aufkamen (die immerhin halbwegs hielten, was sie versprochen haben), wurden in den 80ern noch große Wagenserien mit Gleichstrommaschinen neu aufgelegt. In dem Bereich konnte der Drehstrommotor seine Vorteile der hohen Dauerbelastbarkeit nur eingeschränkt ausspielen. Der Betrieb der Wechselrichter an einer zu schlechtem Kontakt neigenden Fahrleitung hat auch nach wie vor seine ungelösten Tücken (Was meiner Meinung nach aber eher am fehlenden Willen als an den Möglichkeiten liegt). Bei Reihenschlußmotor+Widerstand gibts die Fehlertoleranz halt geschenkt.

Die Widerstands-Reihe/Parallel-Steuerung ist im Übrigen effizienter als man glaubt, da der Großteil der Beschleunigung bei überbrückten oder nahezu überbrückten Widerständen stattfindet. Dem steht das (fehlende) Gewicht aufwendiger Leistungselektronik und ihrer Kühlungs- und Entstörmittel gegenüber. Dies führte zu einer Schlagzeile vom Kaliber "Wegen des Einsatzes neuer energiesparender Drehstromfahrzeuge muss die Kühlanlage im Innenstadttunnel verstärkt werden".
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MatthiasK
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Re: Bahnstrom

Beitrag von MatthiasK »

Roehricht hat geschrieben: Di 16. Feb 2021, 17:20 hallo,
In den 50ern hatte das schon mal jemand in Großbritannien einen Frequenzumrichter aus Thyristoren in einer Lok ausprobiert, aber damals war die Technik einfach noch nicht reif dafür.
Die 50er Jahre halte ich für gewagt. Die ersten Leistungs Thyristoren für hohe Spannungen und hohe Ströme kamen mitte der 60iger von der Firma Westinghouse auf den Markt. Siemens hier 1967.
Der damalige Frequenzumrichter war eine einzige Materialschlacht mit einer vierstelligen Zahl Thyristoren. Die damaligen Dinger konnten weder viel Strom noch viel Spannung. Zum Ausgleich waren sie teuer. Das war auch mit ein Grund, warum sich die Technik damals nicht durchgesetzt hat.

Wie zuverlässig die Lok war, weiß ich nicht. Sie soll wohl auf einem Rollenprüfstand getestet worden sein, es aber vor einen Zug geschafft haben.
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MatthiasK
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Re: Bahnstrom

Beitrag von MatthiasK »

Desinfector hat geschrieben: Di 16. Feb 2021, 12:30
MatthiasK hat geschrieben: Mo 15. Feb 2021, 17:31 Bei Gleichstrombahnen würde ich eher 20% Ripple mit 300Hz erwarten. Man will doch keine Schieflasten erzeugen. Könnte ich mal versuchen, nachzumessen, ich kenne da eine Stelle auf Lötfahnes Stammstrecke, bei der man hinter den Isolator greifen konnte. Wenn das nicht mittlerweile umgebaut wurde, könnte ich mal mein Hand-Oszi dran halten.
hvad?

wo willst Du da messen?
Der Mast, an dem man so gut ran kam, steht nicht mehr so, wie früher. Entweder er hat einen neuen Ausleger, oder es war der Mast auf der anderen Seite der Brücke:
https://www.google.de/maps/@49.4905932, ... 312!8i6656

Da wurde ein normaler Mast durch einen Mast mit extra langem Ausleger für zwei Gleise ersetzt. Wahrscheinlich genau aus dem Grund.

Mit dem langen Hochspannungstastkopf käme ich aber noch immer hinter den Isolator (der war früher auch kürzer).
Foto0778.jpg
Es gib aber noch ein anderes Problem beim Messen: Es gibt dort kein blankes, geerdetes Metall. Alles ist richtig dick und gründlich mit Eisenglimmer-Farbe zugeschmiert. Ohne Akku-Flex mit Schruppscheibe ist da nix mit messen - und das will ich nicht.
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MatthiasK
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Re: Bahnstrom

Beitrag von MatthiasK »

Hesselbach hat geschrieben: Di 16. Feb 2021, 15:45 Hallo,

Ich bin immer noch ein Fan von den Gleichstrom-Reihenschlussmotoren. Diese waren bis in die späten siebziger bei den Straßenbahnen eingesetzt. Ich denke da vor allem an den EM 60/600 einen Tatzlagermotor der seit den fünfziger Jahren hier im Westen in fast allen 2 Achser-Triebwagen eingesetzt war.
Ich denke, du kennst auch die Nachteile der Reihenschlussmotoren. Sie sind groß und schwer, sie haben eine recht begrenzte maximale Drehzahl und im Stand drücken mögen sie auch nicht. Bei der DB gab es nach kurzer Zeit Schäden an den Kommutatoren, weil einige Lokführer beim Ankuppeln gegen den zug drückten. Die für Ablaufberge gebaute OBB 1067 erhielten deshalb hydrodynamische Getriebe wie eine Diesellok (die VR SV1 evtl. auch, aber aus anderen Gründen).
Was Reihenschluss-Motoren auch nicht sonderlich mögen ist, wenn sie keine Last haben. Wenn eine Achse schleudert, schleudert sie so lange, bis der Motor abgeschaltet wird. Bei parallel geschalteten Kurzschlussläufern ist das nicht so, damit kommt man sogar über geölte Schienen, wie die Bundesbahn bei Versuchsfahrten mit der DE2500 im Weschnitztal feststellen durfte.
Und wie man ein Straßenbahn-Drehgestell spektakulär zerlegt, hat man mal in der Werkstatt der Wiener Linien ausprobiert: Drehgestell aufbocken, dass die Räder frei drehen, Motor über eine Erdungsstange an die Hallen-Oberleitung anschließen und dann dieses Gleis einschalten. Sie hatten wirklich viel Glück, dass es nur Sachschaden gab, als es die Trümmer auf mehrere Gebäude verteilte.
Hesselbach hat geschrieben: Di 16. Feb 2021, 15:45 Die Widerstände waren zweimal vorhanden, einmal auf dem Dach fahrtwindgekühlt für den Sommerbetrieb und im Innenraum unter den Fahrgastsitzen verteilt gebläsegekühlt als Heizung im Winter.
Ich habe auch schon erlebt, was passiert, wenn im Sommer der Knebel des Schalters in der falschen Stellung abgebrochen war. Zum Glück hatten die Düwag-Züge wenigstens die Klapp-Fensterchen.
xanakind
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Re: Bahnstrom

Beitrag von xanakind »

Großes Lob meinerseits:
Pro Zitat ein eigener Beitrag.
Sehr gut! das liest sich gleich viel besser :)
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ferdimh
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Re: Bahnstrom

Beitrag von ferdimh »

Man kann das "Das Zeug ist scheiße" Spiel in beide Richtungen spielen.
Wenn man die "großen und schweren" Reihenschlußmotoren mangels Bedarf (Gerade in den 80ern scheint das den Konstrukteuren total egal gewesen sein, wie Gussmonster und teilweise abartig schwere Fahrzeuge aus der Zeit zeigen) nicht optimiert, und dann mit hochgezüchteten Maschinen vergleicht, kommen Größenordnungen bei raus. Wenn man Gleichstrommaschinen, die wirklich mit Gleichstrom laufen, mit gleicher Blechqualität und gleicher Isolationsklasse und gleicher Kühlung vergleicht, wird der Vorsprung auf einmal viel kleiner.
Alles andere wäre auch schwer zu erklären, schließlich ist für ein gewisses Drehmoment ein gewisser Stromfluß in einem gewissen Magnetfeld erforderlich. Optimierungen gibt es nur bei dem Weg, wie dieser Stromfluß und das Magnetfeld zustande kommt. Dem Magnetfeld setzt das Material eine Grenze, dem Stromfluß das Kühlungskonzept. Hier ist "Stumpfes Spulendurchschalten" bei mechanischen Beschränkungen der Schaltmöglichkeiten sicher nicht gerade förderlich.
Wenn man an Werkzeugmaschinen meines ehemaligen Arbeitgebers vergleicht, kommt man bei vergleichbarer Auslegung auf ungefähr 30% Mehrgewicht des Gleichstrommotors. Dies dürfte im Wesentlichen durch die nachteiligere Stromverteilung in den Wicklungen erklärbar sein.

Der Vergleich mit der "großen Bahn" hinkt daher, dass der 16,7Hz-Betrieb eine riesige Krücke ist, die viele prinzipbedingte Nachteile des Motors noch stark verstärkt:
Wenn der Motor im Stand Drehmoment bringen muss, heizen sich einzelne Kollektorlamellen stark auf. Das ist in erster Linie von den dort fließenden Strömen im Verhältnis zur Kommutatorgröße abhängig. Nun musste man, um das Ganze beherrschbar zu kriegen, den Motor mit geringen Spannungen und hohen Strömen auslegen. Das erhöht natürlich die Erwärmung an der Kontaktstelle, wenn der Motor nicht nur aus Kollektor bestehen soll. Dazu kommt, dass der Strom der kurzgeschlossenen Windungen (in die der wechselstrombeaufschlagte Stator ständig eine Spannung induziert) das Ganze auch noch belastet.
Reihenschlußmotor an AC ist einfach scheiße. Egal, wo man ihn einbaut. Im kleinen Maßstab machen vier Dioden ungefähr alles besser ;-)
Von daher macht es total Sinn, dass dieser Weg begraben wurde, und, wenn man schon mit der Komplexität durch die Decke geht, auch gleich das leistungsfähigste Motorenkonzept einbaut.

An DC sieht die Sache wieder anders aus. Hier kann man sich auch wieder streiten, was ein Bug und was ein Feature ist. Die Reihenschlußcharakteristik passt sehr gut auf das, was man von einem Fahrzeug, das einen haltestellenreichen Fahrplan halten soll, erwartet. Dafür passt sie schlecht auf durchdrehende Räder. Man könnte auch sagen: Die Reihenschlußcharakteristik ermöglicht, schleudernde Achsen sofort zu erkennen, und Gegenmaßnahmen einzuleiten ;-).
In Darmstadt kann man im Herbst sehen, dass genau das Phänomen, dass die relativ starre Kopplung der Achsen durch Asynchronmaschinen genau das Problem verursachen kann:
Wenn sich auf einer Achse der Schlupf vom Motor in das Rad/Schiene-System verlagert, und das magnels eines deutlichen Drehzahlanstieges, den irgendeine Elektronik mitbekommen könnte, dann über den kompletten (jetzt deutlich länger dauernden) Beschleunigungsvorgang so bleibt, wenn der Fahrer nicht einschreitet.
Stellt man das Ganze empfindlicher ein, gibt es Fehlalarme, und die Zugkraft wird oft unnötig reduziert.

Wenn man sich nicht an einem völlig absurden Gesamtkonzept versucht, ergeben sich auf beiden Wegen gut funktionierende Fahrzeuge. Es wurde jedoch gerade in den 90ern auch sehr eindrucksvoll bewiesen, wie schlechte Fahrzeuge man um einen Drehstrommotor bauen kann ;-)
Ich finde es da ja immer wieder erstaunlich, wie eine total primitive Kiste mit einer Kurbel vorne links und der halben heute üblichen Leistung einfach mal den Schülerzug fahren kann, ohne den Fahrplan in Schwierigkeiten zu bringen. Geht einfach...

Argumente, wie man mit grobem Vorsatz einen Motor kaputt bekommt, halte ich für begrenzt zielführend. Wenn ich 2 Tonnen TNT in den Drehstrommotor einfülle und anzünde, geht er auch kaputt - und das Umfeld auch.
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Lötfahne »

Hab heute Bereitschaft, und die Knipse dabei. Ich werde ein paar dicke Motoren ablichten, und was sonst so geht. ;)
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Desinfector
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Desinfector »

Lötfahne hat geschrieben: Mi 17. Feb 2021, 07:47 Hab heute Bereitschaft, und die Knipse dabei. Ich werde ein paar dicke Motoren ablichten, und was sonst so geht. ;)
oh ja gerne.

aber lass das mal nicht "weitertragen von Firmengeheimnissen" sein.
Das geht schnell nach hinten los, wenns der Falsche mitbekommt
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Desinfector »

Marsupilami72 hat geschrieben: Di 16. Feb 2021, 17:45 Richtig schräg finde ich ja sowas hier, Drehstromantrieb mit mechanischem(!) Phasenumformer und regelbarem Flüssigkeitswiderstand zum Anfahren:

https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%81V-Baureihe_V50
ein Flüssig-Poti...
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Lötfahne »

Desinfector hat geschrieben: Mi 17. Feb 2021, 07:57
Lötfahne hat geschrieben: Mi 17. Feb 2021, 07:47 Hab heute Bereitschaft, und die Knipse dabei. Ich werde ein paar dicke Motoren ablichten, und was sonst so geht. ;)
oh ja gerne.

aber lass das mal nicht "weitertragen von Firmengeheimnissen" sein.
Das geht schnell nach hinten los, wenns der Falsche mitbekommt
Keine Sorge. Bei DEN Antiquitäten ist nix geheim, im Gegenteil. ;)
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Hesselbach »

Gewiss haben die Reihenschluss-Motoren auch Nachteile, man darf aber nicht vergessen das es Konstruktion aus dem Anfang der Fünfzigerjahre sind. Heute wären sie bei gleicher Leistung wesentlich kleiner und leichter. Ich habe noch nie erlebt dass so ein Motor durchgegangen ist, auch wenn ein völlig unfähiger Fahrer zum Beispiel im Herbst bei Laub auf den Schienen weiter hochschaltet während eine Achse schleudert. In so einem Fall sollte man die Leistung zurücknehmen aber manch ein Fahrer hat dann auch mal kurz den Sandstreuer betätigt worüber sich das Getriebe gar nicht freut. In der Werkstatt haben wir nach der Überholung von Motoren diese gelegentlich an einem Schweißumformer Probe laufen lassen, so mit gemütlichen 100rpm. Die Nenndrehzahl liegt so bei etwa 5-600 Umdrehungen, bei mehr als 1000 Umdrehungen würde ich auch ganz schnelle Schritte in axialer Richtung unternehmen. Richtige Probleme hatten diese Motoren am Anfang im Winter durch über die Kühlung angesaugtes Salzwasser, das wurde aber schon bald behoben in dem Lederfaltenbälge vom Motor zu einem an ein Ansauggitter das etwas erhöht am Wagenkasten angebracht war installiert wurden. Auch mussten nach mehrmaligem wechseln der Schleifkohlen der Kollektor abgedreht und gesägt werden. Wobei ich mich auch frage warum man nicht für die Kollektoren ein härteres Material nimmt, noch heute sehe ich zum Beispiel bei Kfz-Lichtmaschinen dass die Schleifringe nach 100.000 km aussehen wie ein ausgetretener Waldweg, es gibt doch sicher auch härteres und elektrisch gut leitendes Material.
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Re: Bahnstrom

Beitrag von duese »

In dem Bereich gibt es wohl viel schwarze Magie (Kohlen :D ). Ich hab aus der Vorlesung auch noch den Spruch "Strom schmiert" im Hinterkopf. Da kann mit etwas Strombelastung wohl auch die Reibung irgendwie geringer sein. Sprich das sind wohl Effekte am Werk, die nicht so auf den ersten Blick ersichtlich sind.
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Lötfahne »

Erstmal ein paar Bilders von der Festplatte:
E 244 31 in Mannheim: https://de.wikipedia.org/wiki/DR-Baurei ... eihe_E_244
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Und noch ein bißchen Elektroporn:
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Braucht jemand neue Kacheln fürs Bad? :lol:
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Desinfector
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Re: Bahnstrom

Beitrag von Desinfector »

Hesselbach hat geschrieben: Mi 17. Feb 2021, 10:37 Wobei ich mich auch frage warum man nicht für die Kollektoren ein härteres Material nimmt, noch heute sehe ich zum Beispiel bei Kfz-Lichtmaschinen dass die Schleifringe nach 100.000 km aussehen wie ein ausgetretener Waldweg, es gibt doch sicher auch härteres und elektrisch gut leitendes Material.
Ist das denn reines Kupfer oder nicht doch solch eine Kontaktbronze, wie z.B. in kupferfarbigen Steckerkontakten.
Die PE-Klemmen in Steckdosenleisten z.B. sind aus recht harter Bronze, damit es federn kann.

Da muss man sonst beim Motor wohl den Kompromiss machen, weil da ja doch recht hohe Ströme fliessen.
Erst recht beim Anfahren.
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ferdimh
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Re: Bahnstrom

Beitrag von ferdimh »

Ich muss mir da noch mal meine Lichtmaschine angucken. Dort ist nach 380Mm ein Pol deutlich stärker abgenutzt als der Andere. Der stärker Abgenutzte ist aber mehr Dreck ausgesetzt...
Andererseits sieht man bei moderneren (1980) Straßenbahnmotoren kaum Einlaufspuren auf dem Kollektor, auch wenn sie zur Überholung bereitstehen.
Ich vermute, dass hier die richtige Materialkombination Wunder wirken kann.
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