HS- & MS-Netz- und Schutz

Der chaotische Hauptfaden

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Seargent G
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HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Moin moin Frickler!

Nach dem ich kurz etwas zu dem Disskusions-Thema "tödliche Ignoranz" gelesen hatte, kam mein Vorschlag etwas über Mittel- (10-60kV), Hoch- (110kV) und Höchstspannung (220-380kV) zu erzählen.
Noch mal kurz zu mir: Ich arbeite seit Jahren bei einem EVU in Hedwig-Holzbein und dort im Bereich des Netzschutz. (Wenn der Schutzmann drei mal klingelt.)
Was ist überhaupt Netzschutz? Der Netzschutz hat die Aufgabe Fehler im Netz zu erkennen und möglichst schnell den Fehler aus dem Netz zu schalten (Versorgungssicherheit, Schutz für die Anlagen und Bauteile, "Schutz für das Leben")
Der einfachste Schutz den wir alle kennen ist die Schmelzsicherung, aber dazu später mehr.

:!: Alle Bilder und Zeichnungen sind von mir erstellt und können gerne zur Wissensvermehrung genutzt werden.

Wir fangen mal ganz vorne an: Der Netzschutz überwacht physikalische Größen im Netz. Den Strom und die Spannung, sowie deren Frequenz. Wir haben Dreiphasen-Wechselstrom, wobei ich jetzt nicht auf das Zweileiternetz der Bahn eingehe und auch die HGÜ (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, siehe Baltic-Cable) außer acht lasse.

Nun zu unserem Netz:
Vor Jahren wurde von den Großkraftwerken in das Höchstspannungsnetz (Überregionales Transportnetz, vergleichbar mit der Autobahn) gespeist, von da wurde die Leistung auf die Hochspannung (Bundeslandweit weiterverteilt, vergleichbar mit den Bundesstraßen), von dort in das regionale Verteilnetz der Mittelspannung (Verteilung in den Kommunen und darüber hinaus, vergleichbar mit Landstraßen) und von dort in das Niederspannungsnetz zu den Kunden.
Das ist aber schon sehr lange her, der Wind- und Sonnenenergie sei dank ;) . Das stellt das alte Netzmanagement und die Konzeptionierung der Netze vor neu Aufgaben.

In Hedwig-Holzbein fahren wir bis 110kV kompensierte Netze, dass heißt das wir im Erdschlußfall das Netz für eine bestimmte Zeit weiterbetreiben können, ohne das es zu Ausfällen kommt, bis die Fehlerstelle bestimmt und abgeschaltet ist. Das ganze wird mit Hilfe der Petersenspule gemacht (dazu aber ein anderen mal mehr).
In der Höchstspannung kennt man dieses Prinzip nicht, dort wird im Erdschlussfall abgeschaltet.

Kurz zu den Bauteilen die geschützt werden sollen.
Die Kabel: Bei uns zwischen Mord- und Ostsee kaum in der Höchst-, bzw. Hochspannung zu finden, jedoch sehr stark in den Mittelspannungsnetzen. Alte Blei- und Stahlmantelkabel, die noch ölgetränkte Papierisolierung haben, sowie Kunststoffkabel (z.B. VPE-Kabel).
Hier mal ein Querschnitt von einem 110kV-VPE-Kabel
110kV_Kabel.jpg
Von der Mitte nach Außen betrachtet: Leiter (Kupfer), Quellband (eine Art Polster), Isolation (Polyethylen), leitendes Quellband, Kupferschirm, Quellband, Aluminiummantel und Außenmantel (Polyethylen)

Freileitungen:
Kennt Ihr alle ;) Es gibt bestimmte Mastbilder (Mastformen), ob nun Gitter- oder Rohrmasten und natürlich die Anordnung der Traversen. Die nicht-isolierten Leiterseile hängen an Isolatoren und haben genug Abstand zueinander und der Erde. Bei den große Masten gibt es als Blitzschutz oftmals ein "Erdseil" das an der Spitze der Masten. Es beherbergt in der Regel Datenleitung auf Kupfer- und Glasfasertechnik.
Erdseil_Kupfer.jpg
Erdseil_Kupfer

Sammelschienen:
Das sind die Verteilerdosen in der Schaltanlage, an der die Leitungen, Trafos uns Generatoren angeschlossen sind.

Generatoren:
Wobei ich wenig über Generatoren zu berichten habe, außer das sie zur Umwandlung mechanischer Energie dienen. Mein einziger Generator den ich je geprüft habe war ein 11kV-Generator (wirklich 11kV) Baujahr 1926 :D . Mit Igoristischem Generatorschutz, es ist das Wasserkraftwerk Farchau bei Ratzeburg (ein funktionsfähiges Museum).
Farchau_G1.jpg
Transformatoren:
Ich weiß das es im Verteilnetz in den Ortsnetzstationen auch Trafos gibt (z.B. 11kV/400V). Die haben aber keinen eigenen Schutz, zumindest keinen der vom Netzschutz eingestellt und geprüft wird. Ich habe und hatte mit Trafos zwischen 10MVA bis 100MVA zu tun. Die großen Trafos haben alle Öl (oft Shell Diala) als Isoliermedium, besitzen Antriebe für den Stufenschalter, teilweise Ölpumpen, eigene Schutzsysteme (z.B. Buchholzrelais) und ganz viel Kupfer.
Mal eine Schematische Zeichnung (bitte nicht an "Abb.15" gestört fühlen, ich arbeite seit Jahren an einem kleinen Handbuch, aus dem ich das kopiert habe)
Trafo_Schema.png
Eigentlich ist der Trafo das wichtigste Bauteil im Netz. Und mit Hilfe des Stufenschalters (ähnlich einem Nockenschalter) kann die unterspannungsseitige Spannung in der Höhe angepasst werden ( :shock: liest sich das komisch) dazu mal eine Skizze:
Stufenschalter_Schema.png
Es werden einfach ein paar Windungen der Trafowicklung abgezweigt und je nach Stufe beschaltet.
Noch kurz was zu den trafo-eigenen Schutzeinrichtungen. Es wird die Temperatur überwacht (gegebenenfalls damit sogar abgeschaltet, je nach Richtlinie des EVU), es gibt einen sogenannten Schwallschutz der bei einen Überdruck im Stufenschalter-Gehäuse (manchmal auch im Trafokessel) ausgelöst wird (der Öldruck steigt und drückt gegen eine Membran die mit einem elektrischen Kontakt versehen ist) und dem Buchholzrelais. Das Buchholzrelais sitzt in zwischen dem Trafokessel und dem Ausgleichsbehälter und überwacht einmal die Ölströmung und "Gasblasen" im Öl. Dazu erstmal wieder eine Schematische Zeichnung:
Buchholz.png
Bei einem Internen Fehler kann sich Gas Bilden, das durch das Rohr in Richtung Ausgleichsbehälter wandert und sich im Buchholzdeckel sammelt. Ist soviel Gas vorhanden, dass sich die Schwimmerposition ändert, löst das der dazugehörige Quecksilberschalter den Trafo allpolig aus. Kommt es zu einem satten Schluss in der Wicklung, wird das Öl mit großem Druck in den Ausgleichsbehälter gedrückt werden wobei die Schieberplatte, die direkt vor dem Rohr sitzt, ihre Position ändert und ebenfalls mit dem Schalter fern Trafo allpolig ausschaltet. Im Normalbetrieb umfließt das Öl den Schieber (Temperaturänderung des Öls; Tag & Nacht) und es kommt zu keiner Auslösung.

Ich schreibe bald noch mehr werde mich nun aber um die Familie kümmern. Dann erfahrt Ihr auch mehr über den Netzschutz, AWE, Kompensation und Erdschlusserfassung.

Gruß Seargent
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uxlaxel
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von uxlaxel »

vielen dank bisher für den beitrag. von zu hause aus gibts von mir auch paar bilder und etwas text, aber jetzt schreibe ich mit dem sprechknochen. da sind die guten bilder eh nicht drauf.
TDI
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von TDI »

Ein interessante Thema, gerade wo es heute im Stromnetz von Flensburg etwas gehakt hat...
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Seargent G
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Guten Abend!

Kommen wir mal zu den Messwandlern die mir zur Verfügung stehen. Da haben wir einmal die Stromwandler:
110kV Stromwandler
110kV Stromwandler
Das Leiterseil geht quasi durch den Kopf des Wandlers (wären da nicht die Anschlusslaschen). Dieses Exemplar ist schon etwas älter und besitzt einen Keramik-Isolator, neuere haben eine Art Silikon (was das genau ist weiß ich nicht). Im Kopf des Wandlers, oberhalb der Leiterseil-Anschlüße, befindet sich unter einem Deckel ein Faltenbalg aus Metall. Den sieht man nur, wenn sich der Wandler mit viel Thermischer Energie zerlegt hat ;) . Damit soll der Druck, wenn er mal detonieren sollte, nach oben weggeleitet. Habe ich aber auch schon anders gesehen. Im inneren befinden sich Wicklungen und das ganze wird bei diesem Gerät mit Öl und Papier Isoliert. Dann gibt es noch Wandler die mit SF6 (Schwefel-Hexa-Flourid) isoliert sind und in der Mittelspannung haben wir nur Wandler, die komplett in Harz vergossen sind. Einige Wandler kann man primär-seitig umschalten (z.Bleistift 400A/1A auf 800A/1A), andere wiederum Sekundärseitig (viel in SF6-Schaltanlagen). Die Bauformen gibt es wie oben im Bild, oder als Umbau, bzw. Durchsteckender (ähnlich eines Zangenampermeters).
Nun mal zum Wichtigen: Wir haben Wandler in den Größen von 50A bis zu 2400A im Netz, die auf der Sekundärseite daraus 0,5A, 1A oder 5A machen (immer bei 100%). Die primären Wandleranschlüsse hießen früher "K" und "L" (Eselsbrücke: L für Leitung; jedenfalls werden die Wandler bei uns immer in dieser Richtung aufgestellt) und die Sekundären "k" und "l". Dann muss man noch "k" oder "l" der Sekundärwicklung Erden, je nachdem in "welche Richtung" der Strom gemessen werden soll. Wird den Schutzgeräten aber ebenfalls noch einmal identisch eingestellt, damit die Fehlererkennung auch in die richtige Richtung schaut.
Heute heißen die Anschlüsse primär "P1" sowie "P2" und sekundär "1S1" und "1S2".
I-Wandler vereinfacht
I-Wandler vereinfacht
Falls Ihr mal eine Sekundärwicklung mal nicht braucht, dann schließt diese Kurz! Bei einem Stromwandler handelt es sich um eine Konstantstromquelle, wenn das Ding offen gefahren wird entstehen gefährliche Berührungsspannungen (bis zu einigen Tausend Volt), es kommt bei längerem fehlerhaftem Betrieb zu Eisenbrand des Kernmaterials und Explosionsgefahr, bei mit Öl isolierten Wandlern.

Noch kurz was zur Sekundärverdrahtung:
Iwandler_Sek.png
Wandlerkassen und ein Typenschild eines Kombiwandlers kann ich mal erklären, wenn Interesse besteht. Jetzt wollte ich eigentlich in den Keller an meinem CNC-Käsehobel weiterschrauben, aber dann würde ich Euch die Spannungswandler unterschlagen.

Die Spannungswandler sind vom äußeren Erscheinungsbild ähnlich der Stromwandler, was die Isoliermedien und das Aussehen betrifft. Sie besitzen keine Richtungmarkierungen an der Primärseite, denn Spannung hat keine Richtung. Bei uns gibt es Primärgrößen von 10kV bis 380kV und Sekundärgrößen von 100V/Wurzel drei, 200V/Wurzel 3 und 100V/3. Die 200V/Wurzel 3 habe ich nur ein einziges mal gehabt, mich dabei verklemmt und somit geholfen einen Fehler in Süddeutschland aufzudecken, den es seit 20Jahren gab. (Machen die keine Inbetriebsetzungsmessungen :shock: ?)
Die Sekundäranschlüsse wurden früher mit "u" und "x" für die Regulären "verwurzelten" Anschlüsse und "e" und "n" für die Anschlüsse der Verlagerungsspannung benutzt. Heute heißen die "a" und "n" sowie "da" und "dn".
Mal ein bisschen was buntes dazu:
U-Wandler vereinfacht
U-Wandler vereinfacht
Und der Anschluss der "normalen" Sekundärwicklung:
Uwandler_Sek.png
Dann kommen wir mal zur en-Wicklung (offene Dreieckswicklung), das ist die Wicklung der Verlagerungsspannung. Da gibt es keine Wurzel, auch wenn wir im Dreileiterdrehstromnetz sind.Es werden Sekundär 100V durch 3 geteilt fertig. Und im folgenden Schema seht Ihr die dazugehörige Verdrahtung.
en-Wicklung Anschluss
en-Wicklung Anschluss
Im Normalfall, wenn alle Spannungen voll da sind, misst man zwischen "a" und "n" 0V und brechen eine oder zwei Spannungen weg misst man immer 33V. Das macht man sich für die Erdschlusserkennung und der Steuerung der Erdschlußlöschspule (Petersen-Spule) zu nutze. Um diese Wicklung vor Schwingungen im Netz zu schützen hängt man einen 47Ohm Widerstand parallel dazu. Früher hat man einfach Standard 100Watt Glühobst dafür genutzt. Das Netz kann durch Fehler, Schaltungen und natürlich durch die Kompensation schwingen, das ist aber ein eigenes Thema.
:idea: Spannungswandlerkerne dürfen niemals Kurzgeschlossen werden, ansonsten verbrennen die Wandlerspulen und es besteht Brand- bzw. Explosionsgefahr.

Aber nun muss ich mich mal los und mach ein anderen mal weiter!
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zauberkopf
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von zauberkopf »

Ja bitte ! Unbedingt ! Danke schon mal !
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Seargent G
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Moin moin!
Heute melde ich mich mal kurz nochmal zu den Trafos! Es ist zwar so etwas durcheinander, aber doch wichtig und interessant.
Wir haben historisch gewachsen verschiedene Winkel zwischen den Phasen der einzelnen Spannungsebenen. Wobei die 110kV gleich 0° entspricht und der Referenzwert ist. Diese haben Auswirkungen auf die verbauten Transformatoren (Schaltgruppen) und die jeweiligen Einstellungen des Trafo-Differentialschutz.
110kV = 0°
60kV = 150°
30kV = 150°
20kV = 300°
10kV = 150°
In den beiden folgenden Bildern ist zu erkennen, was an Trafo-Schaltgruppen verbaut ist und wo gegebenenfalls die Phasen an der US-Seite gedreht werden.
Schaltgruppen HS
Schaltgruppen HS
Schaltgruppen MS
Schaltgruppen MS

Dann kommen wir mal zu der E-Spule (Erdschlusslöschspule; Petersenspule) für die Erdschlusskompensation. Das Thema füllt ganze Bücher und ich versuche mal es so einfach wie möglich zu erklären.
Was ist ein Erdschluss überhaupt? Es ist eine Verbindung eines Leiters mit dem Erdpotenzial. Zweiphasige Fehler mit Erdberührung gibt es auch (z.B. L1->L2->E), sind aber für die Erdschlussbetrachtung der E-Spule nicht relevant.
Die E-Spule ist eine einphasige Spule, die als Stufenspule (ähnlich der Trafostufen) und als Tauchkernspule (Stufenlos) vorkommt. Diese wird am Trafo-Sternpunkt , oder über einen sogenannten Sternpunktbildner (ein Trafo, der mit den Leitern den Sternpunkt bildet) angeschlossen. Die E-Spule fungiert als Strombegrenzung im Erdschlussfall. Und begrenzt den Strom an der Fehlerstelle auf ca. 10% des Fehlerstroms, je nach Einstellung und Vorgabe des Betreibers. Die Spule ist eine Induktivität und in Verbindung mit der Netzfrequenz von 50Hz bildet sie einen bestimmten Widerstand. Das Netz hat wiederum einen kapazitiven Anteil (Kabel, Freileitungen), der mit der E-Spule anfangen würde sich aufzuschwingen, wenn man die E-Spule dahinfährt die Netzkapazität zu kompensieren. Aua, da wird das Netz aber Musik machen und nicht mehr nur mit 50Hz schwingen. Deshalb geht man zwischen 5-10% über diesen Punkt. Messen kann man das ganz einfach über die „en-Wicklung†œ des Spannungswandlers. Im Normalbetrieb ist diese en-Spannung fast 0V (für`s MS-Netz, im HS-Netz 3-6V), dann man fährt die Spule vom unteren Stromwert (Stufenwert) langsam hoch und nun sollte die en-Spannung auch steigen. Am höchsten Spannungswert fängt die Spule an zu knurren, der Resonanzpunkt ist gefunden und von dort fährt man den die Spule noch weiter hoch. Die en-Spannung wird nun langsam wieder sinken.
Im Fehlerfall erübrigt sich das mit der Netzkapazität des fehlerbehafteten Leiters, der hat ja Erdverbindung. Es stellt sich ein hoher Strom ein, der von der Fehlerstelle zum Sternpunkt des Trafos fließt. Da kommt unsere E-Spule und begrenzt den Strom im Fehlerbehafteten Leiter (entweder wird die E-Spule von Hand auf den Strom gefahren, oder das ganze passiert automatisch).
Das Tolle an diesem Ganzen ist , dass wenn die E-Spule korrekt arbeitet es zu keiner Änderung des Stroms in den gesunden Leitern kommt, sondern nur zu einer Spannungserhöhung um den Wert der kranken Spannung. Das bedeutet, dass es zu keinem Leistungsverlust zwischen einer Leitung (Trafo bis zum nächsten Trafo) kommt. Das Netz wird dann umgeschaltet und der Fehler am Ende rausgeschaltet und behoben.
Ich habe es in dem folgenden Bild einfach gehalten. Es gibt natürlich eine Änderung der Phasenwinkel von Strom und Spannung, aber dann wird es zu abstrakt. Das ist es ja jetzt schon. Es behandelt den Erdfehler im ersten Moment, bevor der Erdschlussstrom von der E-Spule begrenzt wurde. Der Fehlerstrom ist hoch und die anderen nicht betroffenen Leiter haben einen niedrigen Strom.
U_I_unkomp.png
In diesem Bild seht Ihr das Ganze dann mit funktionierender Erdschlusskompensation.
U_I_Komp.png
Kommt es im Netz zu einem zweiten Erdschluss, einem sogenannten Doppel-Erdschluss, funktioniert das Ganze nicht mehr. Der Fehler wird dann als Kurzschluss mit Erdberührung gesehen und vom jeweiligen Schutzgerät abgeschaltet.

Nun muss ich aber mal los.
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Kuddel
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Kuddel »

Ui, danke für den tollen Vortrag. Sehr ausführlich und hilfreich.
Frage zu dem Schaltbild (Das Bild, welches nach Abb15 folgt):
Seargent G hat geschrieben: Es werden einfach ein paar Windungen der Trafowicklung abgezweigt und je nach Stufe beschaltet.
Laut Abbildung werden ja ein paar Windungen Kurzgeschlossen. Ist das richtig so? Werden da nicht Kurzschlusswindungen draus?

Wird das Handbuch mal käuflich erwerbbar? Oder ist es nur für den internen Gebrauch? Dann kriege ich es evtl. mal zu Gesicht, wenn die Monteure von Euch mal zur Schulung bei uns sind ;-)
Gruß
Kuddel
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Chrissy
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Chrissy »

achja... da kommt bei mir das letzte Semester mit seinen ganzen Praktika (u.A Betrieb von Elektroenergieversorgungssystemen) wieder hoch. Da hatten wir GENAU das (und durften im Kolloquium ewig Zeigerbilder malen).

ich find das prima, dass du das Ganze hier ziemlich gut zu nem schönen Dossier zusammenfasst!

Viele Grüße,
Ludwig
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Seargent G
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Das Bild ist nicht richtig. :?
Es Werden keine Windungen am Trafo dauerhaft kurzgeschlossen. Während des Stufenwechsels werden zwei abgriffe überbrückt, damit es nicht mit einer Dunkel-Schaltung vollzogen wird. Aber Evtl. Gibt es im Forum jemanden, der sich damit besser auskennt und hier evtl. Nochmal was zu schreiben kan ;)

Nun muss ich wieder, ich prüfe gerade eine NXPlusC Schaltanlage. Der Strom muss fließen

Gruß Seargent
Kainit
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Kainit »

Wikipedia hat einen recht guten Artikel dazu mit einer Animation des Schaltvorganges:

https://de.wikipedia.org/wiki/Stufensch ... enschalter

Übrigens hat die Phasenverschiebung nichts mit der Spannung zu tun aber mit der Schaltgruppe:

Bei Stern-Stern hat man entweder 0° oder 180° Phasenverschiebung, bei Dreieck-Dreieck ähnlich..
Wenn beide Schaltungen zusammenkommen gibt es auch andere Winkel.
Die Kennzahl mal 30° ergibt die Verschiebung. Standard sind 0 und 6 sowie 5 und 11.

mfg

Frank
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Seargent G
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Moin Frank!
Guter Einwurf mit dem Stufenschalter.
Zu der Anmerkung mit der Phasenverschiebung gebe ich Dir recht. Die Spannungen und die dazugehörigen Winkel sind für mich Spannungsebenen und nicht die Spannung z.B. L1.

Gruß Seargent
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Chemnitzsurfer
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Chemnitzsurfer »

Wer mehr über Trafos wissen will, dem sei das DDR Lehrbuch "Ruhende elektrische Maschinen - Transformatoren und Wandler" vom Verlag für Technik zu empfehlen. Das und der 2. Band über E- Motoren hat mir in der Berufsschule sehr geholfen.
Kainit
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Kainit »

Chemnitzsurfer hat geschrieben:Wer mehr über Trafos wissen will, dem sei das DDR Lehrbuch "Ruhende elektrische Maschinen - Transformatoren und Wandler" vom Verlag für Technik zu empfehlen. Das und der 2. Band über E- Motoren hat mir in der Berufsschule sehr geholfen.
Alle Bücher waren sehr gut, auch "Rotierende Elektrische Maschinen" sowie für mich "Wicklungen Elektrischer Maschinen" und "Wicklungen und Montage Elektrischer Maschinen". Bin nicht sicher ob ich die Titel richtig zitiert habe.

mfg

Frank
duese
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von duese »

Seargent G hat geschrieben: Dieses Exemplar ist schon etwas älter und besitzt einen Keramik-Isolator, neuere haben eine Art Silikon (was das genau ist weiß ich nicht).
Da kann ich ein bisschen was beisteuern:

Die Isolatoren (egal ob Stabisolatoren/Stützer oder Hohlisolatoren in denen Überspannungsableiter, Schalter, Durchführungen, Kabelendverschlüsse oder Wandler eingebaut sind) haben grundsätzlich zwei Funktionen.

1. Mechanisch tragendes Teil
2. elektrisch Isolierend

Besonders 2. ist umfangreicher als es auf den ersten Blick aussieht.
Wenn es rein um die Isolationsfestigkeit eines trockenen Isolators geht, ist eigentlich bloß die Spannungsfestigkeit von Luft interessant, weil die kleiner ist, als die der beteiligten Feststoffe. Sprich das Ding muss einfach lang genug sein. Wenn aber (wie immer in der Praxis) Schmutz und Feuchtigkeit im Spiel sind wird es interessant. Dadurch können sich leitfähige Schichten auf den Isolatoren bilden. Durch diese Schichten fließt dann ein (Kriech-)Strom der die Schicht aufheizt. Wenn das so stark ist, dass die Schicht an einer Stelle (die ist ja net perfekt homogen) komplett austrocknet, wird der Widerstand an der Stelle sehr groß, sprich die komplette Spannung fällt an der Trockenstelle ab und es bildet sich ein Lichtbogen an der Stelle. Dieser trocknet die Fremdschicht weiter aus und weitet sich so aus. Wenn er groß genug geworden ist brennt er schließlich direkt von Armatur zu Armatur und man hat einen sog. Fremdschichtüberschlag und damit einen Kurzschluss und der Netzschutz ist gefragt.

Um dieses zu Vermeiden werden verschiedene Maßnahmen getroffen. Das Offensichtlichste sind die Schirme an den Isolatoren. Die dienen zum Einen dazu die Kriechstecke zu verlängern. Zum Andern gibt es unter den Schirmen Trockenzonen, weil der Regen nicht so leicht hinkommt. Durch die Geometrie der Schirme wird z. T. auch versucht mit dem Wind Verwirbelungen zu erzeugen um so einen Selbstreinigungseffekt zu erzeugen. Bei den Oberflächen versucht man auch diese so zu gestalten, dass Schmutz erst gar nicht hängen bleibt (glatt). Alle diese Maßnahmen sind aber in Gegenden großer (leitfähiger) Verschmutzung (Industrie/Kohle/Wüsten/Küsten (Salz)) z. T. nicht genug, so dass die Isolatoren u. U. regelmäßig gewaschen werden müssen.

Bei Keramik-Isolatoren erfüllt die Keramik (mit ihrer Glasur) beide Aufgaben, mechnisch und dielektrisch.
Die Glasur sorgt zum einen für eine schöne Oberfläche. Zum anderen ist Keramik in Druckrichtung stabiler als in Zugrichtung, für Stabisolatoren nicht wirklich optimal. Deshalb verwendet man Glasuren, die beim Brennen stärker schrumpfen als die Keramik. Dadurch wird diese vorgespannt und so in der Stabilität etwas verbessert.
Bei der Herstellung wird der Ton in "Würste" sog. Hubel extrudiert, diese dann kontrolliert in Luft und durch Stromdurchschicken angetrocknet. Dann wird das ganze auf großen Drehmaschinen (z. T. CNC) in Form gebracht, weiter getrocknet und schließlich gebrannt. Die Schrumpfung der Keramik ist übrigens auch nicht ohne, ca. 10%, was natürlich vorher schon berücksichtigt werden muss.

Bei den sog. Kompositisolatoren übernimmt ein GFK-Stab oder Rohr (bei Hohlisolatoren) die mechanischen Eigenschaften.
Die dielektischen werden von Silikon übernommen. Dazu wird entweder die komplette Umhüllung in einer Form um den Stab spritzgegossen und vulkanisiert oder aber nur eine Umhüllung um den Stab extrudiert und die fertigen Schirme später aufgeschoben und verklebt.

Vorteil der Kompositisolatoren ganz klar, viel leichter und weniger zerbrechlich und in quasi beliebiger Länge zu fertigen. Bei Keramikstabislatoren ist bei 1,10m Schluss (Länge für 110kV, für 220kV brauchts zwei und für 380kV drei 1,10 Stabisolatoren. Daran kann man auch einfach am Mast die Spannungsebenen unterscheiden. Hohlisolatoren gehen länger, da dicker.). Bei Kompositisolatoren braucht man zwar die selbe Überschlags- und Kriechstrecke, aber da diese nicht durch Armaturen (aus Metall) unterbrochen wird, kann man für hohe Spannungen auch insgesamt kürzer bauen.

Das Silikon hat noch einen Vorteil: es ist hydrophob. Weiter findet auch ein sog. Hydrophobietransfer statt. Kurzkettige Polymere diffundieren (innerhlb von Stunden oder Tagen) aus dem Material in die Fremdschicht und machen diese hydrophob. Das heißt, Wasser perlt ab, sie durchfeuchtet nicht mehr so sehr und sie wird dadurch nicht so stark leitfähig.
Kainit
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Kainit »

Nachteil vom Silikon: Nicht für tiefe Temperaturen, in nordische Länder(Finnland z.B.) nur Porzellan.
Isoliertechnisch ist die Sache noch etwas komplexer. Im Inneren der Durchführung befindet sich ein sog.
Kondensatorwickel. Grob gesagt wird dadurch eine Vergleichmässigung des Spannungsabfalls längs der
Klemme erreicht. Es ist nicht nur die Länge des "Kriechwegs" entscheidend sondern auch der Elektrodenaufbau.

Siehe auch:

http://www.hspkoeln.de/cms/front_conten ... angelang=1

Edit: Hier das ist vielleicht interessant...

http://www.hspkoeln.de/cms/upload/downloads/EKTO_d.pdf

Disclaimer: Ich bin nicht bei dieser Firma beschäftigt, aber ich habe oft mit diesen Teilen zu tun.
duese
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von duese »

Dass in nordischen Ländern Silikon nicht so klappt war mir jetzt auch neu...
Kainit hat geschrieben: Im Inneren der Durchführung befindet sich ein sog.
Kondensatorwickel. Grob gesagt wird dadurch eine Vergleichmässigung des Spannungsabfalls längs der
Klemme erreicht. Es ist nicht nur die Länge des "Kriechwegs" entscheidend sondern auch der Elektrodenaufbau.
Jep. Das ist aber bei beiden Technologien (Keramik und Komposition) gleichermaßen ein Thema.

Wenn an Stabisolatoren noch Ringe oder ähnliche Konstruktionen an den Armaturen angeschraubt sind haben die die Hauptaufgabe im Fall eines Lichtbogens diesen möglichst weit vom Isolator weg brennen zu lassen, bis der Schutz abgeschaltet hat, sog. Lichtbogenschutzarmaturen. Gleichzeitig (besonders wenn diese als Ringe ausgebildet sind) können sie aber auch zur Vergleich Mäßigung des Feldes entlang der Isolators montiert sein, sog. Feldsteuerringe.

Hat den gleichen Zweck wie die von kainit erwähnten Feldsteuerelemente in Durchführungen.

Häufig sind diese auch an Überspannugsableitern zu sehen. Überspannungsableiter sind heute in der Regel ZnO Varistoren. Das sind die gleichen wie die bekannten scheibenförmigen, bedrahteten, blauen nur mit größerem Durchmesser (für mehr Energieaufnahmevermögen) und dicker und viele zu einer Säule gestapelt (um auf die entsprechenden Ansprechspannungen zu kommen). Wenn man da keine feldsteuernden Maßnahmen trifft, sorgen die Verkettungeskapazitäten der Ableitersäule gegen Erde und gegen das Leiterseil für ungleichmäßige Feldverteilung und damit sich für eine ungleichmäßige Beanspruchung mit Leckströmen entlang der Ableitersäule.
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Seargent G
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Moin Moin,

heute habe ich kurz was über unsere Leistungsschalter (LS). Diese sind wie der Name schon sagt, für das unterbrechen der Leistung, jedoch nicht zum trennen des Stromkreises (Leitung, Trafo, Generator). Das Trennen des Stromkreises behält man den Trennern vor, diese dürfen nur leistungslos geschaltet werden.
110kV Leistungsschalter
110kV Leistungsschalter
Leistungsschalter gibt es für in allen Spannungsebenen (MS & HS) und sind alle ähnlich aufgebaut. Ein Schaltstift (Kontaktstift) wird mit sehr hoher Geschwindigkeit in eine Kontaktfläche bewegt. Diese kenne ich unter dem Namen „Tulpe†œ, eine runde Hülse mit Federn gestützter „Kontaktflächen†œ. Der Schaltkontakt wird mit Hilfe einer isolierten Antriebsmechanik, die mit Druckluft oder Federkraft, bewegt wird. Der Schaltstift muss dann wie auf dem Foto zu sehen durch eine Löschkammer, die ein mit einem Isoliermedium (Öl, SF6, Vakuum, Luft und früher Expansin) gefüllt ist.
Hier mal ein aufgeschnittener AEG Ölschalter der 11kV Modell M.
11kV Ölschalter
11kV Ölschalter
LS ausgeschaltet
LS ausgeschaltet
LS eingeschaltet
LS eingeschaltet
Frühere Druckluft-LS, wie auf dem nächsten Foto, haben den Schaltstift durch die Luft in die Kontaktfläche „geschossen†œ und der Funke wurde mit Druckluft „ausgeblasen†œ.
Druckluft-LS
Druckluft-LS
Diese Art LS ist tierisch laut und ich habe mich einmal auf den Arsch gesetzt als ich vor Schreck von der Leiter gefallen bin. Es wurde direkt im Nachbarfeld (Schaltfeld) geschaltet, aber nicht Bescheid gesagt. Bei solchen Anlagen wurde vor dem Schalten immer das Personal angerufen um sich die Ohren zu zuhalten, oder die Anlage für den Moment der Schaltung zu Verlassen. z.B. in 110kV-Innenraumschaltanlagen, groß wie Kirchen und ein Hall…da hatte ich mal ein Saxophon mit und habe in der Mittagspause etwas gespielt-Sehr Geil! :D
Zurück zu den Schaltern! Öl und SF6 gefüllte Schalter benötigen diese Medien nicht nur zum Isolieren, sondern auch zum bremsen/dämpfen/puffern(wie beschreibe ich das am besten). Eine Schaltung ohne Füllung kann zur Zerstörung des LS führen. Die Bewegungsenergie wird dann nur noch von den Starren Teilen aufgefangen und knacks. Ebenso kann eine teilweise, oder nicht vorhanden Füllung zum Abbrand der Kontakte führen und bei Öl-Schaltern zur detonation. Öl-Schalter kann es bei einer zu hohen Kurzschlussleistung auch so zereißen. Wir hatten vor Jahren den Fall eines 11kV-LS, der hatte alles im Schaltgebäude nach draußen befördert. Die Türen, Fenster raus und das Dach wurde angehoben. :o

Heute verbaut man in der MS nur noch LS mit Vakuumschaltröhren. Die Schaltröhren sehen ein wenig wie übergroße Sicherungselement. Der Vorteil liegt bei diesen Typen bei der Wartung, sie brauchen keine(laut Hersteller). Man fettet einfach einmal pro dekade die Mechanischen Antriebselemente †“ fertig.
Zu den Antrieben der Schalter und deren Schaltgeschwindigkeiten kann ich nicht so viel berichten. Die Druckluftschalter die ich kennenlernen durfte besaßen eigene Tanks und Kompressoren, oder wurden durch große Druckluftspeicher, mit drei großen Kompressoren (von denen max. liefen, einer war Reserve) versorgt. Um die Schaltgeschwindigkeiten von mehreren Zehntel Millisekunden bis über Hundert Millisekunden zu erreichen war früher nur Druckluft geeignet. Als dann bessere Stähle entwickelt wurden, die auch für langlebige und starke Federn geeignet waren, verdrängte der Federspeicher die Druckluft. Ein Leistungschalter hat in der Regel genug Energie gespeichert, dass wenn er Eingeschaltet und Aufgezogen ist, dann die Versorgungsspannung wegfällt, immer noch aus- und wieder einschalten kann (KU-Fähig).
Die KU ist die Kurzunterbrechung, heute nennt man sie AWE Automatische-Wieder-Einschaltung.

Zu den Trennern: Sie dienen nur zum leistungslosen herstellen einer Sichtbaren Trennstelle. Deshalb müssen die nicht im Millisekundenbereich ausschalten können, was Ihre Belastbarkeit auch gar nicht hergibt. Unter Last bewegt, wird der Trenner abrennen. In 110kV-Anlagen sitzt ein Trenner vor den LS in Richtung Sammelschiene (SS-Trenner) und ein Trenner hinter dem LS in Richtung Abgang (Abgangstrenner). Somit kann man den Abgang und die Sammelschiene unter Spannung lassen, wenn man am LS arbeiten muss.
Kurz ein Bild zum verdeutlichen.
Scherentrenner
Scherentrenner
Gruß Seargent
Kainit
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Kainit »

[quote="duese"]Dass in nordischen Ländern Silikon nicht so klappt war mir jetzt auch neu...

Das habe ich auch nicht gesagt. Fingrid will ausschliesslich Porzellan als Durchführung, selbst bei
niedrigen Spannungen oder der Kern/Rahmenerdung.
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xoexlepox
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von xoexlepox »

Tolle Erklärung, Seargent :!: Ich habe vor etlichen Jahren in einen Büroraum gearbeitet, von dem aus man einen wunderbaren Blick auf eine Umspannstation (einfache Isolatoren an den Leitungsmasten, also 110kV) hatte. Das habe ich mir oft angesehen, und versucht zu ergründen, wie das wohl funktioniert. Aber alles, was ich erkennen konnte, ware zwei Trafos (etwa Containergröße), einen "Topf" (Format einer Litfaßsäule) mit der Bezeichnung "E-Spule", und einem Haufen Schienen und Isolatoren. Dank deiner Beschreibung weiss ich nun, wozu der "Topf" dient, daß die "dicken Isolatoren" wohl Stromwandler sind, und die "gestapelten Isolatoren" wohl Schalter. Ich muss dort noch mal hingehen, und es mir nochmal anschauen. Vielleicht begreife ich dann, wie "das Ding" funktioniert...
duese
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von duese »

In der Bauart dicke Isolatoren gibt es auch Überspannungsableiter, nicht nur Spannungswandler.
alexander_d
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von alexander_d »

duese hat geschrieben: Bei Keramikstabislatoren ist bei 1,10m Schluss (Länge für 110kV, für 220kV brauchts zwei und für 380kV drei 1,10 Stabisolatoren. Daran kann man auch einfach am Mast die Spannungsebenen unterscheiden. Hohlisolatoren gehen länger, da dicker.). Bei Kompositisolatoren braucht man zwar die selbe Überschlags- und Kriechstrecke, aber da diese nicht durch Armaturen (aus Metall) unterbrochen wird, kann man für hohe Spannungen auch insgesamt kürzer bauen.
Zwischen Bischofsheim und Rüsselsheim geht eine Hochspannungsleitung über den Main, an der vor ein paar Wochen die Isolatoren getauscht wurden. Die alten Isolatoren waren braune Keramik, 3 Stück in Reihe (also 380 kV). Mich hat erstaunt, dass die neuen Isolatoren hellblau sind und nur noch einer je Leiter und erheblich kürzer als die alten drei Stück zusammen.
Wie lange ist denn die Lebensdauer eines Isolators an einer HV-Leitung? Es wurden auch neue Leiterseile eingebaut. Ich dachte bisher, dass die "ewig" halten.

Gruß,
Alexander
duese
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von duese »

Man legt im Energieübertragungsnetz soweit ich weiß auf min. 40 Jahre aus. Praktisch geht wohl auch etwas länger. Kann aber ja auch sein, dass die Leitung leistungsmäßig ausgebaut wird und deswegen ein neues Seil braucht.

Zwei Isolatoren parallel hat mit Wegen zu tun. Mindestens bei Porzellan sind bei Leitungen, die Wege kreuzen zwei parallele Isolatoren als Redundanz vorgeschrieben. Früher hat man auch gern besonders bei hohen Spannungen immer zwei verbaut, um bei neu dazugekommenen Wegen nicht nochmal anpacken muss. Heutzutage wird wohl genauer gerechnet ob es wirklich zwei braucht.
(Ob das bei Komposit auch noch vorgeschrieben ist, weiß ich nicht sicher).
Das bei Porzellan, wenn ein Isolator reißt, durch die Lastumverteilung häufig der zweite auch abreißt, steht auf einem anderen Blatt.
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uxlaxel
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von uxlaxel »

wenn ihr mal auf der autobahn 4 im mitteldeutschen raum unterwegs seit, dann haltet mal bei der abfahrt hermsdorf ost (bzw. 500m östlich davon) ausschau nach einem wasserturm (sieht zumindestens so aus), der südlich der fahrbahn steht, neben einer kleinen brücke über die BAB. da steht ringsum als weidezaunspfosten hoch- bzw. höchstspannungsisolatoren. die sind wohl durch die prüfung gefallen und wurden seitens der keramischen werke hermsdort nie ausgeliefert.
das sind weidezaunspfosten für die ewigkeit! :-) herrlich anzusehen :)

übrigens, auf dem gelände des ehem. KWH steht noch in einem (jetztigem) ärztehaus der kurzwellenprüfsender, welche rhode und schwarz noch persönlich aufgestellt haben. der sender seht unter denkmalschutz. er funktioniert wohl und diente mittels veränderlichen induktivitäten zur erzeugung hochfrequenter wechselspannung im etlichen kilovoltbereich. zum tag des offenem denkmales kann man ihn gewöhnlich besichtigen
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Seargent G
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Guten Abend!

Ich habe noch mal schnell ein paar Bilder gesucht und ein paar interessante gefunden. Eins schicke ich jetzt mal ab die anderen fogen.
Das erste ist von einem 110kV Ritz Kombiwandler (Spannung und Strom in einem Messgerät), diese werden in Trafo-Feldern eingesetzt da man das Feld etwas kompakter bauen kann.
Kombiwandler
Kombiwandler
Fangen wir oben links an und gehen die Zeilen von Oben nach unten durch.
1. Hersteller (Messgerät Art)
2. Typ
3. Isolationsangaben: 125kV (max. Nenn-Spannung), 230kV (max.Prüfspannung), 2kV(Stehspannungsprüf. der Sekundärwicklung), 550kV (Blitzstoßspannung)
4. max. Nenn-Strom (max. 200% des eingestellten Nenn-Stroms)
5. Thermische Belastbarkeit des Wandlers bei 40 bzw. 80kA bei 1 Sekunde
6. Dynamische Belastbarkeit, bei welchem max. Strom es den Wandler "mechanisch zerreißt"
6. 1.9U-Nenn bei 8h daher (danach gibt der Wandler wahrscheinlich auf); E :?: ; F :?: ;50Hz Nennfrequenz (somit nicht für Bahnanwendungen geeignet
7. Isoliermedium und Gewicht davon
8. Gesamtgewicht
9.Transport-Art
10. das umgedrehte S ist das Zeichen für die Eichung, somit für Verrechnung geeignet, mit den Zahlen kann ich nichts anfangen
Nächste Spalte
1. 2x200A (Wandler primär umschaltbar 200A oder 400A)
2. 1A Sekundärer Nenn-Strom (4 Spalten, somit vier Sek.-Kernen)
3. max. Belastung der Sek.-Kern in VA
4. Wandlerklasse (wofür das G steht weiß ich nicht, kenne ich von anderen Herstellern nicht) die Zahl gibt den Messfehler in % an. 1. und 2. Kern sind Zählkerne, 3. Kern Messkern, 4. Schutzkern P=protection ;)
5. mit den Zahlen kann man mit der Belastbarkeit (s.o. 3.) die Sättigungsspannung (Magnetisierungskurve) der Sek.-Kerne errechnen
6. die ersten beten Kerne sind geeicht, ansonsten ist es die Bezeichnung der Anschlüsse
7. -
8. Primärspannung
9. Sekundärspannung
10. Belastbarkeit der Kerne in VA
11. Wandlerklasse der Kerne mit Messfehler in %
12. Weiß ich leider nicht
14. der 1.Kern ist geeicht, Bezeichnung der Anschlüsse
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Seargent G
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Moin Moin,

Wenn man zu viel trinkt kann es zur Überlastung des Magens kommen und es kommt alles wieder zum Vorschein. Die Überlast im Netz hat nicht zwangsläufig was mit einem Netzfehler, oder einer anderen Störung zu tun. Man nehme zwei parallele Leitungen, belaste beide über 50% und schalte eine aus. Die Verbliebene muss nun die Leistung der Abgeschalteten aufnehmen und da die Spannung stabil bleibt erhöht sich der Strom. Fazit: Überlast, kann zu thermischen/mechanischen Zerstörungen führen. Als Beispiel nenne ich mal den Europäischen Stromausfall im Nov. 2006. Da wurde eine 380kV-Strecke über die Ems abgeschaltet und eine andere Strecke musste mehr Strom aufnehmen, war überlastet und verabschiedete sich durch Abschalten.Dann begann eine Kettenreaktion die mit dem Trennen der Netze einhergeht. (Auch wenn die Netzsimulation sagt, es klappt alles…aber das ist ein anderes Thema)

Über den Erdschluss habe ich ja schon bei der Erdschlusslöschspule ein paar Zeilen verloren und wir erinnern uns, es ist eine Verbindung einer Phase gegen Erdpotenzial.
Wärend des Erdschluss treten sehr hohe Fehlerströme auf, die Spannungsymetrie wird gestörrt und an der Fehlerstelle kommt es zu gefährlichen „Schrittspannungen†œ (Spannungstrichter).
Häufig tritt dieser Fehler bei Regen mit starkem Wind auf. Die Isolationsstrecke wird durch den Regen verkleinert und Bäume hauen in die Freileitung. Dabei kann es vorkommen das der Baum in der Nähe der Leitung ist, kurz in den Beriech geweht wird an dem es zum Überschlag kommt und einen Lichtbogen zieht, der „stehen†œ bleibt. Dann kann man diesen mit einer AWE (Automatischen-Wieder-Einschaltung; alt:KU) löschen. In der nächsten Zeichnung ist mein Text nochmal verdeutlicht. Die Leitung ist in Betrieb, Betriebs-Strom und Spannung sind „gesund†œ der LS ist eingeschaltet. Es kommt zum Erdschluss und das Schutzrelais erkennt diesen, dann schaltet es den Leistungsschalter für ein paar hundert Millisekunden (Spannungslose in der MS Pause 300-400ms, in der HS ca. 600ms) aus, um ihn danach wieder zu zuschalten. In der spannungslosen Pause sollte die Erdverbindung (Lichtbogen) gelöscht sein und nicht wieder kommen->AWE erfolgreich. Steht der Fehler jedoch immer noch an, oder kommt innerhalb von 10 Sekunden wieder, wird die Strecke abgeschaltet.
Ablau-Schema AWE
Ablau-Schema AWE
Bei einem Kurzschluss, oder auch Phasenschluss berühren sich mindestens zwei Leiter unterschiedlichen Potenzials (z.B.L1-L3). Sehr hohe Fehlerströme, die nur mit einer Abschaltung gelöscht werden.
Dann haben wir noch die Über- und Unterspannung. Die häufigste Überspannung ist der Blitzschlag, der mittels Überspannungsableiter ins (Funkensprühhorn, Kathoden) Erdreich abgeführt wird. Jedoch gibt es auch Überspannungen, die bei Erdschlüssen und die durch plötzlichen Lastabfall (Verbraucher steigen aus dem Netz aus) auftreten. Lastabwurf führt auch zu Problemen bei Generatoren, es fehlt die Gegenkraft aus dem Netz (die Impedanz des Netzes ist größer) und sie drehen bei gleicher Energiezufuhr schneller (höhere Spannung, Gefahr von Schäden an der Turbine, Welle und am Generator).
Unterspannung wird also folglich durch zuschalten von zu hohen Lasten, oder durch Abwurf von Kraftwerksleistung auftreten. Ebenso durch „satte†œ Fehler im Netz. Das belastet ebenfalls Rotierende Maschinen im Kraftwerk. Es wird plötzlich gebremst.
Die Über- und Unterfrequenz kann man mit der Über- und Unterspannung in Verbindung bringen. Jedenfalls mit den Erläuterungen zu den drehenden Maschinen.
Dann haben wir noch Fehler bei denen der Leistung das Problem darstellt. Als Beispiel nenne ich mal die Überwachung der Blindleistung in Abhängigkeit mit der Spannung (QU-Schutz).
Fehler in Trafos und Generatoren, die mit Hilfe eines Stromvergleichschutz (Diff-Schutz; entfernt ähnlich eines RCD) überwacht und geschützt werden. „Was an Strom reinfließt, muss auch rausfließen.†œ

Jetzt muss ich aber wieder mal!

Gruß Seargent
Uli
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Uli »

Ich habe vor inzwischen sicher 25 Jahren auch mal ein halbes Jahr im Mittelspannungsnetzschutz gearbeitet. War eine interessante Zeit, denke ich gerne daran zurück. Meine Aufgabe war aber mehr die Steuerung der Leistungsschalter und darum vermisse ich hier noch ein Stichwort: Distanzschutz bzw. Distanzschutzrelais.

Da das aber schon so ewig her ist, überlasse ich die Erklärung lieber Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Distanzschutzrelais
dens_r_d
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von dens_r_d »

Eine kleine Seite mit viel Erklärungen und natürlich einer Messung der Netzfrequenz:
http://www.netzfrequenzmessung.de/
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Seargent G
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Moin Uli!

Schön zu hören das Du dich gern erinnerst. Der Netzschützer muss in allen Bereichen der Netztechnik etwas Ahnung haben, weil der Schutz in alle Bereiche eingreift, oder Infos sammelt. Leittechnik ist dann noch ein sehr interessantes Thema, was durch die Komplexität der heutigen Schutzrelais teilweise mit erledigt wird. Zum Distanzschutz ;) der kommt auch noch dran! Wie auch einige weitere Schutzgeräte und natürlich die Schutzgeräte Historie. Die da lautet elektromechanischer Schutz, Statischer Schutz (Analog-Elektronischer Schutz, IC-Technik) und natürlich der Digitale Schutz.

Wobei ich den E-Mechanische Schutz, zum Einstieg und von der Technik(Igor lässt grüßen :mrgreen: ), am besten finde. Ok, digital Schutz rockt auch, aber man benötigt immer einen Komposter :roll:
Uli
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Uli »

Ich durfte noch die elektromechanischen Distanzschutzrelais warten. Die waren irgendwie auch "Igor" wenn auch nicht im Sinne von "mehr Strom". Die Impedanzen der einzelnen Stufen (und wenn ich mich recht entsinne auch die Abschaltzeiten) wurden noch per Schieber auf einer Skala eingestellt. Unten dann ein paar fette Relais, deren Kontakte regelmäßig gereinigt werden mussten. Die sahen aus, wie übergroße Stromzähler, die Scheibe ging aber über die komplette Front. Das Internet gibt aber tatsächlich keine Bilder dazu her. Schade!

Der Prüfkoffer, den wir für die Teile benutzt haben, musste von zwei Personen getragen werden. :mrgreen:

Zu meiner Zeit wurden in dem EVU die ersten elektronischen Distanzschutzrelais eingeführt. Die fand ich damals auch irgendwie langweilig.
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Seargent G
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Hier kurz ein paar Bilder von zwei Prüfkoffern, mit denen man elektromechanische und statische Schutzgeräte prüft. Das eine ist ein alter AEG Prüfkoffer den ich für die MS-Geräte nutze und der zweite ist ein Eigenbau aus vergangenen Tagen. Beide wiegen jeweils über 20kg, aber nur mit ordentlich Kupfer kann man die alten Schwarzen Kisten prüfen. :D
AEG Prüfkoffer
AEG Prüfkoffer
Prüfkoffer Eigenbau für 110kV Mechschutz
Prüfkoffer Eigenbau für 110kV Mechschutz
Dazu mal ein MS-Distanschutzrelais(Elektro-mechanisch) der Marke Siemens, Typ R1KZ4a. Die riechen schön und machen viel Krach, wenn sie eine Fehler erkennen.
R1KZ4a
R1KZ4a
Das sind die Geräte Deiner Jugend :lol:
Uli
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Uli »

Jau, der erste Prüfkoffer kommt mir sehr bekannt vor. Unsere Distanzschutzrelais sahen recht ähnlich aus, waren aber etwas anders aufgebaut. Die Einstellschieber gingen fast über die ganze Breite des Fensters und die Relais waren ganz unten horizontal aufgereiht.

Ja, da kommen Erinnerungen hoch... *schwelg* :lol:
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Seargent G
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Re: HS- & MS-Netz- und Schutz

Beitrag von Seargent G »

Moin Moin,
Da bin ich mal wieder. Momentan gibt es wieder viel zu tun im Netz, deshalb auch meine lange Pause. Aber hier nun etwas Nachschlag.
Wenn man zu viel trinkt kann es zur Überlastung des Magens kommen und es kommt alles wieder zum Vorschein. Die Überlast im Netz hat nichts mit zu viel bechern zu tun. Und ebenso muss es nicht zwangsläufig ein Netzfehler sein, der dazu führt. Man nehme zwei parallele Leitungen, belaste beide über 50% und schalte eine aus. Die Verbliebene muss nun die Leistung der Abgeschalteten aufnehmen und da die Spannung stabil bleibt erhöht sich der Strom. Fazit: Überlast, kann zu thermischen/mechanischen Zerstörungen führen. Als Beispiel nenne ich mal den Europäischen Stromausfall im Nov. 2006. Da wurde eine 380kV-Strecke über die Ems abgeschaltet und eine andere Strecke musste mehr Strom aufnehmen, war überlastet und verabschiedete sich durch Abschalten. Dann begann eine Kettenreaktion die mit dem Trennen der Netze einherging.
Über den Erdschluss habe ich ja schon bei der Erdschlusslöschspule ein paar Zeilen verloren und wir erinnern uns, es ist eine Verbindung einer Phase gegen Erdpotenzial.
Wärend des Erdschluss treten sehr hohe Fehlerströme auf, die Spannungsymetrie wird gestört und an der Fehlerstelle kommt es zu gefährlichen „Schrittspannungen†œ (Spannungstrichter). Häufig tritt dieser Fehler bei Regen mit starkem Wind auf. Die Isolationsstrecke wird durch den Regen verkleinert und Bäume und andere Dinge hauen in die Freileitung. Dabei kann es vorkommen das der Baum in der Nähe zur Leitung steht, kurz in den Bereich geweht wird, an dem es zum Überschlag kommt und einen Lichtbogen zieht, der „stehen†œ bleibt. Dann kann man diesen mit einer AWE (Automatischen-Wieder-Einschaltung; alt:KU-Kurzunterbrechung) löschen. In der nächsten Zeichnung ist mein Text nochmal verdeutlicht. Die Leitung ist in Betrieb, Betriebs-Strom und Spannung sind „gesund†œ der LS ist eingeschaltet. Es kommt zum Erdschluss und das Schutzrelais erkennt diesen, dann schaltet es den Leistungsschalter für ein paar hundert Millisekunden (Spannungslose in der MS Pause 300-400ms, in der HS ca. 600ms) aus, um ihn danach wieder zu zuschalten. In der spannungslosen Pause sollte die Erdverbindung (Lichtbogen) gelöscht sein und nicht wieder kommen->AWE erfolgreich. Steht der Fehler jedoch immer noch an, oder kommt innerhalb von 10 Sekunden wieder, wird die Strecke sofort abgeschaltet (Erfolglose AWE). In der Mittel- wie auch Hochspannung wird in der Regel eine drei-polige AWE durchgeführt. Das bedeutet es wird nicht die Erdschlussbehaftete Phase kurzzeitig getrennt, sondern immer alle drei. In der Höchstspannung hingegen gibt es die phasenselektive AWE. Das hat etwas mit den zu schaltenden Leistungen und den dazugehörigen Netzrückwirkungen zu tun.
AWE Schema
AWE Schema
Bei einem Kurzschluss, oder auch Phasenschluss berühren sich mindestens zwei Leiter unterschiedlichen Potenzials (z.B.L1-L3). Diese Variante gibt es auch mit Erdberührung. Bei diesen Fehlern treten sehr hohe Fehlerströme auf und es hilft keine AWE, es muss abgeschaltet werden
Dann haben wir noch die Über- und Unterspannung. Die häufigste Überspannung ist der Blitzschlag, der mittels Überspannungsableiter (Funkensprühhorn und Kathoden) ins Erdreich abgeführt wird. Jedoch gibt es auch Überspannungen, die bei Erdschlüssen und durch plötzlichen Lastabfall (Verbraucher steigen aus dem Netz aus) auftreten. Lastabwurf führt auch zu Problemen bei Generatoren, es fehlt die Gegenkraft aus dem Netz (die Impedanz des Netzes ist größer) und sie drehen bei gleicher Energiezufuhr schneller (höhere Spannung, Gefahr von Schäden an der Turbine, Welle und am Generator).
Unterspannung wird also folglich durch zuschalten von zu hohen Lasten, oder durch Abwurf von Kraftwerksleistung auftreten. Ebenso durch „satte†œ Fehler im Netz. Das belastet ebenfalls Rotierende Maschinen im Kraftwerk. Es wird plötzlich gebremst.
Die Über- und Unterfrequenz kann man mit der Über- und Unterspannung in Verbindung bringen. Jedenfalls mit den Erläuterungen zu den drehenden Maschinen.
Dann haben wir noch Fehler bei denen der Leistung das Problem darstellt. Als Beispiel nenne ich mal die Überwachung der Blindleistung in Abhängigkeit mit der Spannung (QU-Schutz).
Fehler in Trafos und Generatoren, die mit Hilfe eines Stromvergleichschutz (Diff-Schutz; entfernt ähnlich eines RCD) überwacht und geschützt werden. „Was an Strom reinfließt, muss auch rausfließen.†œ
Das sind so die üblichen Problemchen im Netz, von denen wir zum Glück nicht so oft etwas merken.
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