im Radio-Bastler-Forum hatte ich das Gerät schon vorgestellt, allerdings ist man da auch mit dem Latein am Ende, sodass ich es euch auch mal zeigen will und vielleicht hat jemand sogar eine Idee.
Auf dem Agra-Flohmarkt in Markkleeberg im Januar entdeckte 5 minuten vor Schluss diesen netten Ofen. Der Verkäufer wollte den bemitleidenswerten Haufen nicht wieder mit heim nehmen und so wechselte das Teil für 1/4 des ursprünglichen Preises den Besitzer.
Erst hielt ichs aus der Ferne wirklich für ein Heizgerät, allerdings offenbarte sich auf den zweiten Blick, dass es sich um einen Röhrenverstärker handelt. Bestückung AZ11, EF12, EL11. Die Instandsetzung war nicht wirklich aufregend und lief ohne große Überraschungen. Die erste Bestandsaufnahme ergab: Rost, mindestens 1,5 Opel Corsa. Äußerlich keine Hinweise auf einen Hersteller, innen, wie sich herausstellen sollte, auch nicht. Es gibt an der Vorderseite zwei Drehknöpfe "Aufnahme" und "Wiedergabe" sowie ein Drehspulinstrument mit linearer Skalenteilung bis 1 in Zehntelschritten. Hintendran gibt es vier Buchsen, Mikrofon, R + T (Radio und Tonabnehmer?), Lautsprecher und eine mystische sechspolige Buchse, die ich auch noch nicht gesehen habe. Interessant ist der dreieckige Führungsstift, welcher mit der Spitze nach oben zeigt. Auch im Inneren stellte sich heraus, dass sich keinerlei Typschild oder sonstige Hinweise auf einen Hersteller finden. Die Kondensatoren sind von Hydra, gestempelt mit 1938, die Widerstände von Dralowid. In der bemerkenswert massiven Abschirmkammer versteckt sich ein Eingangsübertrager für Mikrofoneingang der Firma Reisz. Die Röhrenbestückung, AZ11, EF12 und EL11 ist von Valvo. Auffällig ist die Verwendung von vielen Universalteilen, gerade bei den Übertragern - sowohl Eingangsübertrager für Aufnahme, als auch Ausgangsübertrager haben verschiedene Anzapfungen für verschiedene Endröhren. Alles unter einer dicken Dreckschicht versteckt, wobei am Chassis der Rost wesentlich gutmütiger war, als mit dem Gehäuse. Das auffällige Relais mit 3x UM Kontaktsatz liegt im Signalweg und das Drehspulmesswerk zeigt über einen Gleichrichter (Kupferoxydul?) einen Pegel an. Von den alten Nasselkos war noch einer in Ordnung, habe sie jedoch alle gegen Becherelkos von RFT mit guten Werten getauscht. Eine Netzdrossel ist leider defekt gewesen, aber ich hatte eine sehr ähnliche im Bestand. Leider 350 statt 500 Ohm DC-Widerstand, sodass die Spannungen jetzt bisschen höher sind. Leider habe ich unter den Röhrenfassungen kein Bild gemacht, allerdings ist es auch dort sehr überschaubar. Etwas gewurmt hat mich die Signalversorgung, da es hier zu ganz seltsamen Verhaltensweisen kam - kurzum, das Signalrelais hatte durchweg einen unendlich hohen Widerstand. Nach ausgiebigem Kontakteputzen passt das aber auch wieder soweit.
Die Aussteuerungsanzeige habe ich kurzerhand gegen eine von Neuberger getauscht, da mir beim kläglichen Versuch, die Lagerspitzen vom Rost zu befreien, eine Feder an der Spule abriss. Der Gleichrichter für das Anzeigeinstrument hatte es auch hinter sich, sodass ich auf einer versteckten Platine einen neuen Verbaut habe. Fotos und Schaltung liefere ich nach - es ist nun so angeschlossen, dass es auch bei Wiedergabe anzeigt.
Zusammengefasst verstehe ich die Funktion wiefolgt: Relais angezogen (wie im Schaltplan dargestellt) ist die Betriebsart "Aufnahme". Das Signal aus den Eingängen "Mikrofon"/"R+T" wird über das Poti "Aufnahme" auf das G1 der EF12 geleitet, in der EL11 endverstärkt, über den Ausgangsübertrager auf den kleinen Übertrager beim Messwerk gespeist, welches in diesem Fall den Pegel anzeigt, dieser Übertrager transformiert die Impedanz wieder hoch und gibt so ein hochohmigeres Signal auf den oberen, mittleren Kontakt der mystischen Buchse.
Ist das Relais in Ruhestellung, befinden wir uns in der Betriebsart "Wiedergabe". Der Verstärker bekommt sein Eingangssignal über denselben mittleren Kontakt der Sechspolbuchse, verstärkt dieses und es liegt niederohmig an der Lautsprecherbuchse an. Pegelanzeige ist hierbei nicht in Verwendung.
Interessant ist die Mikrofonbuchse: Es handelt sich um eine Schaltbuchse. Ungesteckt wird die Mikrofonmasse mit der Schaltungsmasse verbunden. Mit gestecktem Mikrofon wird diese Verbindung aufgetrennt, was zur folge hat, dass über den Kapazitiven Spannungsteiler im Netzteil (2x 16uF und 1500uF) eine Potentialdifferenz entsteht, mit welchem das Mikrofon eine Phantomspeisung erhält. Die zu erwartende Spannung von wenigen Volt lässt auf ein Kohlemikrofon schließen.
Aus diesem Informationskonglomerat schließe ich: Das Gerät, scheinbar professioneller Natur diente dazu, Sprache, Radiosendungen oder bereits vorhandene Tonaufnahmen auf ein mir unbekanntes Gerät zu überspielen, beziehungsweise von diesem wiederzugeben. Hier sind meine Tipps Drahtton oder frühes Tonband. Das angeschlossene Gerät steuerte hierbei die Umschaltung der Betriebsarten und Versorgte den Verstärker mit Spannung.
An der Sechspolbuchse (ich definiere jetzt den Pin oben Links als 1 und gehe dann im Uhrzeigersinn vor) liegen an:
1 - Mikrofonspannung
2 - Ein- und Ausgang
3 - Steuerkontakt für das Relais - wenn auf Masse gelegt, zieht Relais an
4 - Netz
5 - Masse
6 - Netz
Im Testbetrieb zeigten sich 2,25 W RMS an 4 Ohm bei einem Eingangspegel von 152 mVeff, was denke ich ganz okay ist. Da die FFT-Funktion von meinem Oszi nicht wirklich gut ist, oder ich zu blöd dafür bin, habe ich den Eingangspegel soweit erhöht, bis der Sinus anfing, sichtbar zu verzerren.
Folgende Spannungen ergeben sich im Betrieb an 230 V:
Erster 16 uF Elko: 330 V
Uf = 5,7 V (Bisschen arg niedrig, allerdings wird der Trafo auch nicht übermäßig warm)
EL11:
Uk = 7,2 V
Ug2 = 290 V
Ua = 274 V
Ik = 40 mA
EF12:
Uk = 3 V
Ua= 100 V
Nicht ganz die Datenblattwerte, aber denke ganz iO.
Das Gehäuse wurde nach einer tiefgehenden Entschlackung mit Bref Grün in Zitronensäure entrostet, anschließend mit der Drahtbürste gebürstet und die Roststellen mit Owatrol konserviert. Die ehemals lackierten Füße sind nur mit Owatrol konserviert. Die Gummierung der Reifen war nur noch rudimentär vorhanden, allerdings fand sich mit Kleber beschichteter Schrumpfschlauch im Fundus, der nun seinen Dienst als würdiges Substitut tut.
Zusammen mit einem zum Lautsprecher umgebauten AEG-Leuchtofen "Furniculus" ist es ein ganz angenehmes Duo, das sicherlich auf dem FT24 unseren Pavillon beschallen wird.
Kurz zum Mausrad abkühlen folgende Fragen zum Schluss:
- Hat jemand dieses Gerät schon mal gesehen?
- Wer hat es hergestellt?
- Welches Gerät gehört obendrauf?
- Hat jemand evtl. Stecker für die Buchsen "Ma" und "L"?