Die Wissenschaft vom Unwissen

Wenn das Irrenhaus überfordert ist

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Nello
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Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Nello »

Hattet Ihr heute schon eine Gesichtspalme*? Jetzt kommt ein Leckerli! Hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Agnotologie

Agnotologie! Alter!

Als nächstes: Die heilige Kirche von St. Agnos, dem Ahnungslosen. Wir sollten augenblicklich mit der Schöpfung von Riten und Glaubensgrundsätzen beginnen (und unbedingt auch in dieser Reihenfolge). Wenn einer fragt, wozu, gibt es sofort die Antwort: Weiß ich doch nicht! Muss man das wissen? Nee, oder?

Ich sage Euch, das liegt so perfekt im Trend, das wird innerhalb einer Woche zum Kult.

* Falsche Übersetzung von "Facepalm". Genau so gefunden.
Gary
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Gary »

Ich finde den Wikipedia Eintrag recht interessant. Es hilft einiges besser zu verstehen.
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Später Gast
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Später Gast »

@Gesichtspalme: es gibt sogar das passende Verb Fazialpalmieren. :o

Mit Unwissenheit hab ich beruflich viel zu tun. ;)
Gernstel
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Gernstel »

Darf ich mich jetzt schon als Agnotologe bezeichnen oder braucht es dazu einen Master als Abschluss?
Nello
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Nello »

Na ja: Für einen Abschluss müsste es ja irgendwo erstmal einen Lehrstuhl geben. Du hast also wahrscheinlich die Chance auf eine Professur.
Gernstel
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Gernstel »

Zuviel der Ehre!
Denn ich weiß ja was: Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Und dann noch 2400 Jahre zu spät. Der, der damals sagte "Ich weiß, dass ich nichts weiß" begründete auch damit die Schule der Sokratiker...

Für den Lehrstuhl bräuchte es gesichertes Unwissen.
Mist.
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Bastelbruder
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Bastelbruder »

Wo kann man das zertifizieren lassen?
Gernstel
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Gernstel »

Sobald Du das weißt, bist Du nicht mehr zertifizierbar.
Blechei
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Blechei »

Der Barbier rasiert alle die sich nicht selbst rasieren...
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Smily
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Smily »

Das ganze erinnert mich etwas an das Fliegende Spaghettimonster...

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Fliegen ... ttimonster
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Julez
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Julez »

Und dann gilt es noch, zwischen bekanntem Unwissen und unbekanntem Unwissen zu unterscheiden:

https://en.wikipedia.org/wiki/There_are ... n_unknowns
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Spike
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Spike »

Nello hat geschrieben: Di 28. Mär 2023, 08:44 Agnotologie! Alter!
Danke für den Beitrag - Neben der immer schwierigen Begriffsfindung für so etwas latent paradoxes finde ich den "Zweig" doch recht wichtig. Da die Währung unserer Zeit die Aufmerksamkeit ist, reicht es ja quasi Gewusstes durch Neuinformation zu verschütten. Und Schwups, hast Du Unwissen kreiert.
Die AIs haben mit unseren 3 Sekunden Wirklichkeit erschreckend leichtes Spiel.
Nello
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Nello »

So ganz kann ich der These von der Absurdität durch rückgekoppelte Logik nicht folgen. So wie ich den Artikel verstanden habe geht es nicht um den Nachweis eigenen Unwissens, sondern um das Wissen um Verfahren zur Herstellung und Festigung eines solchen in der Bevölkerung.

Das ist, glaube ich, nicht weniger als Herrschaftswissen. Jeder Propagandist, jeder Verschwörungstheoretiker leckt sich die Finger nach dem Stoff. Insofern ist das schon ziemlich ernst. Der Gedanke von Spike zur Rolle von KI bei der Herstellung von Unwissenheit kann einem wirklich Angst machen: Buchstäblich in kürzester Zeit ließe sich die Welt auf allen Medien mit Falschinformationen fluten, die von der Wahrheit ununterscheidbar sind. Die Folge wäre perfekte Anarchie.

Das ist übel. Das ist wirklich richtig übel.
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Julez
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Julez »

Ich denke, dass die Verbreitung von Unwissen nicht ausschließlich auf finstere Mächte zurückgehen muss. Viele Leute wählen es für sich auch selber: Die ganzen Q-Anon-Verschwörer, die Impfgegner, die Mondlandungszweifler, die Horoskopleser etc, da steckt bestimmt kein zentrales Organ dahinter.
Da die Währung unserer Zeit die Aufmerksamkeit ist, reicht es ja quasi Gewusstes durch Neuinformation zu verschütten. Und Schwups, hast Du Unwissen kreiert.
Bsispiel: Ich rufe die Challenge aus, diesen Text hier komplett zu lesen, ohne sich mindestens 1 Mal facial zu palmieren:

https://www.glamour.de/artikel/hailey-b ... a-erklaert

Und mit sowas beschäftigen sich Leute ernsthaft!

Huxley hatte recht: Die Wahrheit ertrinkt in einer See aus Irrelevanz.

https://biblioklept.org/2013/06/08/huxl ... ebcomic-2/
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zauberkopf
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von zauberkopf »

Tja...
... was soll ich sagen ...
Es ist nur ein Nebenschauplatz in einem Sinnlosen Krieg, den Leute dank des Zugangs zum Internet führen können, die sonst nix zu tun haben. Es geht also um "Deutungshoheit".
Die Sache ist die : In einem Relativen Universum versuchen die Menschen verzweifelt absolute wahrheiten zu finden.
Und weil viele von denen nicht besonders helle sind, studieren die wenigsten von Ihnen Mathematik.
Das wäre ja mal eine exakte Wissenschaft....

Nur... bei allen anderen gebieten... da kann man labern.
Und am unteren Ende ist das Dummvolk das gerne alles glaubt, oder ignoriert was ein Dr. von sich gibt.
(Gut... den Fehler habe ich selbstverständlich auch mal gemacht )

Und das Tragische : Wenn ich Leute mit Transparenten lese wie : "Volk der Wissenschaft"..
Dann werde ich immer ganz traurig, weil diese eben der "Wissenschaft" keinen gefallen tun !
Ganz und gar nicht. Im gegenteil. (sie wird dadurch nicht besser )
Sie beschneiden die Freiheit, setzen diese unnötig unter Druck usw.
(z.B. das ein gewisser Content erwartet wird.. )
Genau wie die "Gegner". (die oftmals genau das gegenteil bewirken).

Das ganze hat also immer öfter religiöse Züge.

Und unter diesem Aspekt.. muss man den Begriff mal betrachten.
Auch, das er ausgerechnet in den USA aufgetreten ist, einem Land das z.Z. nicht unbedingt für seine "Einheit" berühmt ist.
Ich kann mir gut vorstellen, das so ein begriff sehr gerne verwendet wird, um die eigenen Reihen zu schließen.
d.H. aber auch, Diskussionen, die das Wissen erweitern könnten, werden behindert.

Und wenn man mal genauer sich den Artikel anschaut : Nun ja... der Begriff ist neu, aber die Sache ist verdammt alt und eigentlich sogar altbekannt : Früher hies das "Propaganda".
Das ist also nix neues. Neuer Begriff, neues gelaber... fertig ist ne neue Forschungsrichtung.. und ne Koryphäe die oft zitiert wird.
Huxley hatte recht: Die Wahrheit ertrinkt in einer See aus Irrelevanz.
Oh.. ja... ;-)
Danke ! Den kannte ich noch nicht. ich glaub ich muss mir ein T-Shirt drucken lassen.
Thomas
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Thomas »

Hallo,

Das ist der Beweis das die Menscheit immer Dümmer wird.
Ich würde ja gerne mehr dazu schreiben, aber dann würde ich mich als
süddeutschlands (Allerdümmster) Allerunwissendster outen. :o
@ Später Gast: mit Deinem letzten Satz kann ich mich stark identifizieren.

zwinkernde Grüße,
Thomas

Ps. @Nello ...eins elf!!!
Nello
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Nello »

Thomas hat geschrieben: Di 28. Mär 2023, 21:26 Ps. @Nello ...eins elf!!!
Tut mir leid: Ich weiß nicht, was Du meinst.
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Hightech
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Hightech »

Leider sind die ganzen Asozial-Medien incl. Youtube ausschließlich mit Algorithmen ausgestattet, die den Nutzer auf der Plattform halten wollen.
So wird dem Nutzer immer das gezeigt, was ihn dazu bewegt weiter zu schauen und zu suchen.
Dadurch entsteht der Eindruck, das muss wohl die Wahrheit sein, auf allen Seiten und Plattformen bekommt dieser Nutzer immer ähnliche Themen und Bilder gezeigt.
Auch die Suchmaschinen sind so gestrikt und finden Seiten die zum Nutzer passen, abe nicht zwangsläufig zum Suchbegriff.

So kommt es dann, das die Leute komplett verblöden und glauben was ihnen gezeigt wird.
Auch die ständige Nutzung von Assistenten trägt zur Verblödung bei, wer kann heute noch ohne Navi fahren, nach Karte zb?
Oder alle 5 Minuten bimmelt eine Erinnerung auf dem Telefon, das macht auf Dauer dumm.


Leider sind viele Menschen sehr spät in das Internet eingestiegen und wissen einfach nicht, was das Internet mal war und was es heute ist.
Das Internet von heute ist eine reine Commerzmaschine.

Die Menschen, die aufgewachsen sind mit dem Internet so wie es die letzten 15 Jahre ist, kennen das ursprüngliche , fast Commerzfreie Internet nicht.

So alte Neulandsäcke wie ich, die seit mitte der 90er dabei sind, nutzen das Internet ganz anders.
Niemals wird auf Links geklickt, die auftauchen. Niemals wird einer Werbeanzeige gefolgt. Nie ist der erste Treffer einer Suchmaschine der für mich richtige.
Die Relevanten Suchergebnisse sind in den letzten Jahren immer weiter nach unten gegangen.

Dabei ist das Internet ein so mächtiges Werkzeug, geschickt eingesetzt kann es so viel Nutzen bringen. Oder Schaden.
Nello
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Nello »

Ich gebe Dir ja Recht Boris, aber das ursprüngliche Thema war ein anderes. Das allerdings ...
Hightech hat geschrieben: Mi 29. Mär 2023, 06:56 So kommt es dann, das die Leute komplett verblöden und glauben was ihnen gezeigt wird.
... kann man als Teil der Dummheits-Kultivierung betrachten. Die Frage ist nun, ob man dahinter eine höhere Absicht vermutet, was dann in Richtung "Deep State" ginge und "Great Reset". Oder ob alles, was wir in diesem Zusammenhang beobachten, ein emergentes, selbstorganisiertes System sein könnte, das ohne bewusste Lenkung einem Attraktor folgend einen Trichter bildet, der geraden Wegs in den Orkus strudelt.
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Hightech
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Hightech »

Nein, eine gesteuerte Verblödung kann das auf keinen Fall sein. Dazu wäre es notwendig sehr viele Menschen einzuweihen. Doch die Menschen sind nicht in der Lage ein Geheimnis lange für sich zu behalten. So ist es unmöglich eine Weltverschwörung im Geheimen durchzuführen. Es gibt immer einen der quatscht. Es handelt sich um eine komplette selbstverblödung.
Nello
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Nello »

Dann bleibt abschließend die Frage, ob eine Aussicht besteht, sich gegen die Entwicklung zu stemmen. Für sich selbst wohl schon, ich denke, da ist Erkenntnis schon der halbe Weg. Aber als Teil von etwas größerem, und sei es nur als Familie, wird das schon schwieriger. Sag den Kindern mal, sie sollen sich nicht der Verdummung preisgeben. Da gucken die dann so notwendig.
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Spike
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Spike »

Nello hat geschrieben: Mi 29. Mär 2023, 08:09 Sag den Kindern mal, sie sollen sich nicht der Verdummung preisgeben. Da gucken die dann so notwendig.
Man kann es nur immer wieder versuchen. (Guter Film, übrigens.) ;)
Gernstel
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Gernstel »

Kann man überhaupt noch wissen?

Es gibt einfache Sachverhalte wie den Dreisatz oder die Energieerhaltung, die universelle Gültigkeit zu haben scheinen. Die, wenn man sie anwendet, oft erstaunliche Ergebnisse haben, die auch völlig im Gegensatz zu aktuellem "Wissen" stehen können.

Das ist um so häufiger der Fall, je komplexer Systeme werden. Sowas wie "menschlicher Organismus", "Gesundheit", "Wirtschaft", "Logistik", "Klima" hat jeweils so viele Einflussgrößen und Störfaktoren, dass man es nicht mehr überschauen kann, sondern gerne zu vereinfachenden Modellen greift. Die dann oftmals als "absolute Wahrheit" und als "die Wissenschaft" verkauft werden, obwohl sie bestenfalls aktueller Stand des Irrtums sind.

"Wissen" kann auch weh tun. Ein Mitschüler hatte in Physik promoviert und seinen Lebenstraum mit der Forschung an einer Hochschule umgesetzt. Dann wurde ihm gesagt, es sei Schluss mit seiner Forschung, es fehle das Geld. Da fragte er, wie kommt man an Geld. Und hat, persönlich hoch motiviert, erfolgreich Drittmittel eingeworben. Er war darin so erfolgreich, dass er auch von anderen Instituten um Hilfe gebeten worden ist. Seine Weiterbeschäftigung basiert seither vorwiegend auf Geldbeschaffung. Gegen Fördermittel ist an sich nichts einzuwenden. Aber: "Forschung" war vorher an der Erkenntnis selbst orientiert und ergebnisoffen. "Untersucht werden soll der Zusammenhang zwischen..."

Mit den Fördermitteln wird ein Zweck mehr oder minder vorgegeben. "Belegt werden soll, dass..." Nun kann man natürlich zu dem Ergebnis kommen "Es konnte kein Beleg gefunden werden für..." - Aber dann versiegt diese Geldquelle und wird nie mehr sprudeln, sei sie staatlich oder aus der Wirtschaft stammend.
So lauten Studienergebisse "Belegt wird..." Und das liest man dann über mehrere Seiten. Und entweder, wenn man sehr schlau ist, findet man ein sinnfreies Studiendesign mit fragwürdigen Randbedingungen oder seltsame Statisitik. Oder sogar, mittendrin, dass der behauptete Beleg nur zu 1,3% zutrifft.

Das Wissen um diese Einflüsse tut verdammt weh. Und zu wissen, dass so generiertes Wissen nicht der Erkenntnis dient oder nur durch sehr viel Aufarbeitung wie Prüfung und Nutzung der Rohdaten und Korrektur falscher Auswertungen zu echter Erkenntnis führen kann.

Aufgrund einer Erkrankung suche ich regelmäßig nach Studien und stoße ebenso regelmäßig auf grauenvollen Unfug. Manches gibt bestenfalls anekdotische Anregungen.
Warum? Weil die Pysiologie eines dieser komplexen Systeme ist und viel zu viele Störgrößen auftreten. Ein schönes Beispiel ist das sensationelle, über die Jahre angewachsene "Bichemical Pathways" http://biochemical-pathways.com/#/map/1 zum Stoffwechsel. Wer damit meint, dass alles klar sei, der kann gerne mal über umgesetzte Stoffmengen, über Störgrößen wie (Epi-)Genetik, Ernährung, Umwelt, Verhalten.... diskutieren oder in Lehrbüchern mit teils erheblich abweichenden Angaben nachschlagen. Denen liegen wiederum Studien zugrunde, die... ach, ich erwähnte es ja schon.

Auch Logistik und Handel sind scheinbar ganz triviale Vorgänge, die jedoch kaum überschaubar komplex und störanfällig sind. Einfaches Beispiel: Die Holzpreise sind extrem gestiegen, wenn man Holz kaufen möchte. Zugleich finde ich im Wald allerschönstes, wertvolles Holz, zum Abtransport neben breiten Forststraßen, seit Jahren verrottend. Warum? Keine Logistikkapazität, wegen Fehlkalkulation pleite gegangenes Unternehmen, Datenfehler - es findet sich alles, wenn man ein wenig fragt und telefoniert. Währenddessen verrottet das Holz weiter. Kann ich nicht ändern, ist also nutzloses und schmerzendes Wissen.

Besonders erschreckend finde ich allerdings, dass Macht&Geld sich bestätigendes Wissen kauft und zu Widerstand führendes Wissen zu unterdrücken versucht. Das ist die Steigerung von Nicht-wissen-wollen. Und auf der Suche nach der korrekten oder verständlichen Schreibweise stoße ich auf "Gewolltes Nichtwissen kann als kulturelle Fähigkeit verstanden werden" https://www.mpg.de/16831533/interview-g ... ichtwissen
...nebst moralischen Implikationen.

Wie in so vielen Fällen, scheint es auch für "Wissen" keine vollständig befriedigende Lösung zu geben.

Dank dieses Forums habe ich etwas mehr Wissen über Schaltnetzteile erworben, vielen Dank. Hingegen war/ist es mir nicht möglich zu verstehen, wie die Auswahl eines Audio-Übertragungsprotokolls über Bluetooth erfolgt und wie sie beeinflussbar ist und warum sie spontan zu "schlecht" wechseln konnte. Ebenso unverständlich ist für mich die USB-Spezifikation, die wissenschaftlich völlig korrekt dargelegt sein mag. Mich aber treibt sie zur Verzweiflung und zur Akzeptanz des Nichtwissens, weil der Aufwand des Verständnisses der komplexen Spezifikation schlichtweg in keinem Verhältnis zum Nutzen für mich steht.

Solche Erlebnisse verschafft mir auch immer wieder Wikipedia, wenn ich mir nur denke "waaas?". Und mich angesichts der Verlinkung ins Unendliche diverser Aspekte des initial gesuchten Wissens nur als Agnotologen empfinden kann. Wissen war zur Zeit 28-bändiger Konversationslexikas von A bis Z noch endlich und begrenzt und zumindest scheinbar komplett zu wissen. Heute hingegen...

Heute beweist mir Julez mit
Ich rufe die Challenge aus, diesen Text hier komplett zu lesen, ohne sich mindestens 1 Mal facial zu palmieren:

https://www.glamour.de/artikel/hailey-b ... a-erklaert
... was ich alles nicht weiß - und auch gar nicht wissen möchte.

Wann immer hingegen mir die Schwestern und Brüder der Agnotologie sagen "das muss man nicht wissen!" oder "die Wissenschaft sagt" oder "ein Experte sagt" oder "das ist so, weil wir das sagen" - dann werde ich neugierig und hellhörig.
Das ist meine Empfehlung an alle. Sonst nimmt das betreute Denken überhand.
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Julez
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Julez »

Die dann oftmals als "absolute Wahrheit" und als "die Wissenschaft" verkauft werden, obwohl sie bestenfalls aktueller Stand des Irrtums sind.
Relevante Artikel:

Viele Forschungsergebnisse können nicht repliziert werden:

https://de.wikipedia.org/wiki/Replikationskrise

Beispiel: Werte werden systematisch von den Wissenschaftlern selbst verfälscht, um besser im Einklang mit den Ergebnissen eines Nobelpreisträgers zu sein:

https://de.wikipedia.org/wiki/Millikan- ... storisches
Thomas
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Thomas »

Hallo Nello,

Mit meiner Aussage "einself" wollte ich Dir ein Lob aussprechen für den ersten Beitrag !
Mein erster Gedanke war; Das hat uns gerade noch gefehlt!
Nach dem ich alle Beiträge gelesen hab bin ich etwas von der Meinung abgekommen aber ich
bin immer noch da dran. Es ist nun mal so das elementares Wissen immermehr durch Blödsinn ersetzt wird
der immer weitere Kreise zieht. Der oder Diejenige die es betrifft merken nicht bzw. können nicht merken
was da abgeht aus Mangel an Bildung und Einsatz Ihres " Denkapparats"
Mein Fazit: Die Menscheit wird zwangläufig Zugrundegehen!
Deshalb, halten wir uns fern von dem und ignorieren es,
Meine Lebenszeit ist inzwischen zu wertvoll für sowas!

Grüße,
Thomas
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Spike
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Spike »

Julez hat geschrieben: Mi 29. Mär 2023, 12:46 Viele Forschungsergebnisse können nicht repliziert werden
Kann ich aus meiner Erfahrung mit Lebewesen im Labor nur bestätigen - Für die Veröffentlichungen werden "typische" Datenbeispiele herangezogen. Dass man neben den N Tieren und n Datensätzen noch anderen Müll (weil, hat nicht in die Fragestellung gepasst) erfasst hat steht nirgendwo.
Gernstel hat geschrieben: Mi 29. Mär 2023, 11:48 Kann man überhaupt noch wissen?
Danke für eine passende Beschreibung meines Hochschullebens - Grundlagenforschung: Es wird am Ende veröffentlicht, was vor Antragstellung im Labor in der x-ten Variante gemessen wurde - so hat man eventuell Chancen auf freiere Arbeit neben den deliverables...
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BernhardS
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von BernhardS »

Gernstel hat geschrieben: Mi 29. Mär 2023, 11:48 Kann man überhaupt noch wissen?
Können kann man weiterhin.

In der Realität wird auf Wissen nicht allzu oft Wert gelegt.
Wesentlich häufiger wird erwartet, daß man eine Meinung hat.
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Joschie
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Re: Die Wissenschaft vom Unwissen

Beitrag von Joschie »

BernhardS hat geschrieben: Do 30. Mär 2023, 12:57 Wesentlich häufiger wird erwartet, daß man eine Meinung hat.
Und diese wie ein Wendehals immer nach aktuellem Gusto ändert.

Zum Threadtittel, ich weiß das ich nichts weiß, aber ich erschrecke immer wieder wie viel viele andere nicht wissen.

Grüße
Josef
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