Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Der chaotische Hauptfaden

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E_Tobi
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Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von E_Tobi »

Hi zusammen,
Pulses1.png
Hier mal was äußerst kurioses...im Bild sind Waveforms eines synchronen Buck-Wandlers zu sehen, Hellblau das Highside-Gate, Dunkelblau der Drosselstrom , gelb der Eingangspin des Halbbrückentreibers direkt am Gehäuse. Die Eingangsspannung liegt ungefähr auf der Cursorlinie, etwas oberhalb. Der Groundclip von CH1 war hier aus Platzmangel nicht angeschlossen, deswegen schauts aus als wären leichte Störungen drauf, die sind aber nicht echt - auf dem PCB wird der Treiber von einem Komparator angesteuert, der direkt am IC sitzt, und sauber angebunden ist.

Der Wandler läuft hier im Leerlauf im Burst-Mode, das Bild ist also am Ende eines Pulspakets entstanden. Die Synchrongleichrichtung ist ausgeschaltet, wegen Leichtlast.
Ganz am Ende der eigenmächtigen Einschalterei sieht man auch das er zwei mal den Lowside-FET einschaltet, bis der Drosselstrom umdreht...

Ich dachte erst die ICs (MIC4102) wären irgendwie geschädigt, durch einen Schaltungsfehler oder ESD, aber manche machen das einfach, frisch aus der Verpackung, beim aller ersten Start, ohne jemals Last gesehen zu haben. Andere funktionieren problemlos, im Leerlauf wie unter Vollast.

Wie man sieht passt das fehlerhafte einschalten auch nicht auf den Takt des Wandlers, sondern passiert einfach willkürlich irgendwann, und zwar immer dann wenn zu lange kein Impuls am Eingang angelegen hat. Sprich, alle Spannungen sind stabil, die Schaltung ist ruhig, es gibt keine Störungen mehr - und plötzlich schaltet der Treiber einfach ein.
Manchmal auch nur so halb, wie man am letzten Einschaltvorgang sieht.

Hat sowas schon mal jemand gesehen?
Ich habe schon verschiedenste Treiber dieser Bauart (Highside "floatend" auf dem Silizium integriert, aber nicht isoliert) eingesetzt, und ab und an Probleme durch negative Transienten auf der Switchnode und ähnliches gesehen, falsches Einschalten durch Störungen unter Vollast, Cross-Conduction wegen Störungen auf den Eingängen durch falsche Führung des Rückpfades des Lowside-Gates, etc....
Aber dass ein Treiber einfach willkürlich einschaltet, und zwar im Leerlauf nachdem eigentlich alles vorbei ist, ist mir völlig neu.

Grüße
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Raja_Kentut
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von Raja_Kentut »

Was hat denn der Komarator fürn Ausgang? Puschpull oder open Drain...
Ist der Treibereingang wirklich astrein?
E_Tobi
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von E_Tobi »

Push-Pull, und ja, der ist astrein. War das erste das ich geprüft hatte, negative Spikes auf irgend einem IC-Pin, ein- oder Ausgang. Ist aber alles sauber.
Zum testen hab ich auch mal die Treiber-Ausgänge mit einem Ampere unter null Volt gezogen, das hat den Treiber aber nicht gejuckt.

Edit: Ergänzung: Der Treiber macht das auch im Testaufbau ohne angeschlossene Leistungsstufe, alle Eingangspins direkt am Gehäuse mit GND zusammengelötet, High- und Lowside stabilisiert versorgt. Wenn man dann den HS-Pin mit 60V aus dem Labornetzteil antippt, schalten manche der Treiber einfach die Highside ein, auf folgendem Bild zu sehen:
Newfile1.png
Hellblau HS, Gelb HO, Lila Differenz. Wie gesagt, ohne irgendwas angeschlossen, nur der nackte Treiber mit kurzgeschlossenen Pins.
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sukram
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von sukram »

Was macht der Bootstrap-C? Hast du zusätzlich eine Bootstrapdiode verbaut (DaBla S. 15/16)?

Mir fiel beim überfliegen der Abschnitt zur Shoot-Through-Protection auf - nicht dass die Amok läuft, weil es an der Highside wackelt?
E_Tobi
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von E_Tobi »

Highside-Versorgung ist stabil, abgeblockt mit 1µ MLCC direkt am Chip. Sieht man auch an der Gatespannung, schön ~10-11V. Wird auch nie nennenswert höher oder niedriger.
Ja, als Bootstrapdiode ist eine Schottky drinnen. Hab an der Stelle auch schon mit Reihenwiderständen experimentiert (Störungen durch die Stromspitzen beim einschalten der Lowside), hat aber 0 gebracht.

Die Flankensteilheit am HS-Pin ist übrigens auch weit vom Maximum entfernt, statt den erlaubten 50V/ns sinds im Betrieb eher höchstens 2-3V/ns.
E_Tobi
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von E_Tobi »

Kleines Update, die ICs sind auch in Ordnung.

Weiß jemand wie solche Treiberschaltungen intern schaltungstechnisch genau umgesetzt sind?
In irgend einem Paper habe ich gelesen dass die Signalübertragung Richtung Highside mit Pulsen Läuft, um Ruhestrom zu sparen.

Sprich, anscheinend sind auf der Lowside zwei Differenzierer vorhanden, die steigende und fallende Flanken in jeweils einen Puls umwandeln, und zwei Transistoren die ein- und ausschaltpuls getrennt zur Highside übertragen...evtl. gegen je eine Konstantstromquelle auf der Highside oder so ähnlich?

Auf der Highside sitzt dann anscheinend ein Block der die Rekonstruktion übernimmt - quasi mehr oder weniger ein RS-Flipflop.

Hat hier evtl. jemand mehr Infos? Mich würde interessieren was da intern passiert, und was dazu führen könnte dass das IC einfach willkürlich ein- und ausschaltet....
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Fritzler
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von Fritzler »

Das benannte Schaltbild hab ich schonmal in Microchip FET Treibern gesehen.
Daher ist das schonmal richtig.
Aber WIE die Impulse übertragen werden ist nicht beschrieben.

Das geht Induktiv wie bei den s*ckteuren ADUM ICs oder auch Kapazitiv wie bei den günstigen Silabs Isolator ICs.
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Roehricht
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von Roehricht »

Hallo,
das hört sich fast so an als ob da HF im Spiel ist. Mglw schwingt da was HF mässig. Schlechte Entkopplung ungünstige Leitungsführung . Was schnell schaltet kann auch HF und wenn etwas schwingen kann dann tut es das auch.
Ich würde mal über das Gate Bein eine Ferrit Dämpfungsperle rüberschieben ein Widerstand im 1 stelligen Ohmbereich versuchen. + - Drähte mit Drosseln verblocken.

Diese Flipflopschaltungen in den PWM ICs haben was mit der Totzeitregelung zu tun. Zwischen den Schaltzuständen der beiden Ausgänge ist ein kleiner Zeitraum in dem beide gesperrt sind. Das ist wegen der Speichezeit der Endtransen erforderlich. Die Totzeit ist einstellbar über ein extra rausgeführtes Bein.

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Wolfgang
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Fritzler
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von Fritzler »

Roehricht hat geschrieben: Sa 17. Jul 2021, 10:59 Diese Flipflopschaltungen in den PWM ICs haben was mit der Totzeitregelung zu tun. Zwischen den Schaltzuständen der beiden Ausgänge ist ein kleiner Zeitraum in dem beide gesperrt sind. Das ist wegen der Speichezeit der Endtransen erforderlich. Die Totzeit ist einstellbar über ein extra rausgeführtes Bein.
Kommt auf den Chip an.
Es gibt Treiber mit 2 getrennten Pins für HS und LS, da muss die PWM Hardware des steuer µCs ran.

Ansonsten gibts das RS eben auch für die Pulsübertragung über die Spannungsdomänen hinweg.
E_Tobi
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von E_Tobi »

Fritzler hat geschrieben: Sa 17. Jul 2021, 10:52 Aber WIE die Impulse übertragen werden ist nicht beschrieben.

Das geht Induktiv wie bei den s*ckteuren ADUM ICs oder auch Kapazitiv wie bei den günstigen Silabs Isolator ICs.
Das sind die galvanisch getrennten Varianten, differentiell kapazitiv, oder tatsächlich gekoppelte Spulen auf Silizium. Die Isolierung läuft hier über physikalisch getrennte Dies.

Die nicht galvanisch getrennten Varianten, wie der IC hier, machen die Isolierung mit einem "Becken" auf dem selben Siliziumchip, und die Signalübertragung per Transistor - wie genau das in CMOS umgesetzt wird weiß ich eben nicht, unten werdens zwei NMOS in Source-Schaltung sein, evtl. auch JFETs? Und oben...keine Ahnung. Irgendwas das sowohl funktioniert wenn Highside und Lowside auf dem selben Potential liegen, als auch wenn die Highside 100V oberhalb liegt. Highside auf niedrigerem Potential als Highside ist verboten, aus genau dem Grund - dann funktioniert die Impulsübertragung nicht mehr.

@Wolfgang: Jup, in dem Fall hat das IC eine Logik die die Lowside erst anschaltet wenn die Switchnode von selbst auf unter 2.5V geht (getrieben durch den Drosselstrom), oder ein paar hundert Nanosekunden vergangen sind.

HF als Fehlerquelle kann ich weitestgehend ausschließen, wie gesagt - schief gehen tuts nicht wenn geschalten wird, sondern erst sobald nicht mehr geschalten wird. Bedämpfungen usw. hab ich auch getestet gehabt, an den Eingangspins, und auch an den Ausgangspins in verschiedenen Konfigurationen. Keine Änderung am Verhalten.
(Edit: Im Gatekreis sinds einige Ohm Vorwiderstand zum einschalten, und einstellige Ohms zum abschalten. Das ändert aber auch nix, wie gesagt - das zweite Oszibild oben ist ganz ohne Mosfets entstanden, ohne Leistungsstufe, und man sieht dass der Treiber einfach mitten unter dem langsamen abfallen der Switchnode-Spannung einschaltet. Auch kurz auf den Störungen, aber vor allem einfach mittendrinnen.)
(Edit2: Inzwischen ist der Treiber auch rausgeflogen, sowas kann ich überhaupt nicht gebrauchen. Meine Überstrombegrenzung z.B. zieht auch nur den Treibereingang auf Low, bringt halt nichts wenn der schon low ist und der Treiber trotzdem einschaltet....ich würde aber trotzdem gerne wissen was hier der Hintergrund sein kann, ich denke das ist nicht nur für mich interessant.)
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von sysconsol »

Doofe Frage: Hast du schon den IC-Hersteller kontaktiert?
Immerhin passen ja die Messergebnisse nicht zum erwarteten Verhalten des IC.
E_Tobi hat geschrieben: Sa 17. Jul 2021, 10:25 Kleines Update, die ICs sind auch in Ordnung.
Woran machst du das fest? Oder: Wie hast du das geprüft?

Vor allem in Bezug auf deine Anmerkung im ersten Beitrag:
E_Tobi hat geschrieben: Sa 10. Jul 2021, 11:33 Ich dachte erst die ICs (MIC4102) wären irgendwie geschädigt, durch einen Schaltungsfehler oder ESD, aber manche machen das einfach, frisch aus der Verpackung, beim aller ersten Start, ohne jemals Last gesehen zu haben. Andere funktionieren problemlos, im Leerlauf wie unter Vollast.
Also sind ja doch nur einige kaputt - ESD-Probleme beim Hersteller?

E_Tobi hat geschrieben: Sa 17. Jul 2021, 13:31 Edit: Im Gatekreis sinds einige Ohm Vorwiderstand zum einschalten, und einstellige Ohms zum abschalten.
Die Öhmers zum Gate des Low-Side-FET sind aber durchaus störend für die Shoot-Through-Protection.
Hättest du aber gemerkt.
sysconsol
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von sysconsol »

Wenn du die HV - die vermutlich bei um die 38V liegt - höher under niedriger wählst, ändert sich dann etwas am Verhalten der defekten IC?
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Fritzler
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von Fritzler »

Was wir bisher eigentlich noch garnicht gesehen haben ist ein Bildausschnitt vom Aufbau und des Layouts.
Vllt streut ja wirklich was pöse ein.
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sukram
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von sukram »

Fritzler hat geschrieben: Sa 17. Jul 2021, 17:07 Was wir bisher eigentlich noch garnicht gesehen haben ist ein Bildausschnitt vom Aufbau und des Layouts.
Vllt streut ja wirklich was pöse ein.
Und beim Layout an das Referenzdesign aus dem DaBla gehalten?
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Roehricht
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von Roehricht »

Hallo,
Und beim Layout an das Referenzdesign aus dem DaBla gehalten?
..aus versehen ein Dezi Sender gebaut... :mrgreen:

Im Fernseher des Nachbarn entgleisen dem Moderator alle Gesichtszüge. :mrgreen: :mrgreen:

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Wolfgang
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Re: Halfbridge-Treiber schaltet selbstständig ein

Beitrag von E_Tobi »

sysconsol hat geschrieben: Sa 17. Jul 2021, 16:48 Doofe Frage: Hast du schon den IC-Hersteller kontaktiert?
Immerhin passen ja die Messergebnisse nicht zum erwarteten Verhalten des IC.
Ja, das Ticket ist schon länger offen, status...wartet auf Antwort von Microchip.
sysconsol hat geschrieben: Sa 17. Jul 2021, 16:48 Woran machst du das fest? Oder: Wie hast du das geprüft?
Durchlichtmikroskopie:
SAP5812956_fail BE_201_Overlay001 - Kopie.jpg
sysconsol hat geschrieben: Sa 17. Jul 2021, 16:57 Wenn du die HV - die vermutlich bei um die 38V liegt - höher under niedriger wählst, ändert sich dann etwas am Verhalten der defekten IC?
Ja, mit der Spannung kann man das schön steuern. Bei den betroffenen ICs fängts meistens bei ziemlich genau 40V an, unterhalb funktioniert alles tadellos.
In Einzelfällen hat es auch schon mal bei 30V angefangen, bei manchen auch erst bei 50V.
Die Schwelle zwischen "geht gut" und "geht schief" ist nur einige hundert mV breit und sehr hart, z.B. bei 38.5V funktioniert alles, bei 38.8V schaltet er von selbst ein.
Ganz oder gar nicht, man sieht nicht dass das langsam anfangen würde, mit einem falschen Puls hier oder da. Entweder das Oszibild von oben kommt raus, oder es er verhält sich richtig. Nichts dazwischen.

Hier noch ein Layoutausschnitt, mit den relevanten Schleifen eingezeichnet:
Layout_Gez.png
Gate Return Lowside ist auf dem anderen Board isoliert geroutet, und kommt definitiv an dem Pin raus der in der Schleife eingezeichnet ist.
In dem Betriebszustand in dem das Fehlverhalten auftritt ist die Lowside, wie gesagt, deaktiviert., und ohne Mosfets/Leistungsstufe dran macht er das selbe...von da her glaube ich nicht an ein Layoutproblem.

(Edit: Nachtrag zum internen Aufbau von Highside-Treibern, gleich auf der ersten Seite: https://www.onsemi.com/pub/collateral/and9674-d.pdf )

(Edit2: Das Oszi hat über 700MHz Kleinsignalbandbreite und 5GS/s, ich denke wenn da wirklich irgendwas zu oszillieren anfangen würde, würde mans sehen - zumindest als erhöhtes Rauschen oder so. Da ist aber alles clean, auf jedem Pin...)
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